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Das Testament eines Excentrischen

Das Testament eines Excentrischen

Titel: Das Testament eines Excentrischen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Lissy Wag’s zu drücken, die dabei sofort bemerkte, daß ihre Gesichtszüge ausnehmend belebt waren und ihre Augen in besonderem Glanze strahlten.
    »Was hast Du denn diesen Morgen? fragte sie fast unwillkürlich.
    – O, nichts, meine Liebe, nichts! Ich freue mich so sehr, Dich etwas gesünder anzutreffen. Und dann ist so schönes Wetter… eine herrliche Maisonne… Du weißt ja… die schönen Sonnenstrahlen, die man trinkt… die man einathmet. Ach, eine gute Dosis Sonnenschein… ich bin überzeugt, die würde Dich sofort gesund machen. Doch… keine Unvorsichtigkeit… wegen ernster Complicationen!
    – Wohin warst Du denn gegangen. meine gute Jovita?
    – Wohin ich gegangen war?… Zuerst nach dem Geschäfte Marshall Field’s, um dort über Dich zu berichten. Unser Chef läßt sich hier alle Tage nach Dir erkundigen, und ich wollte ihm dafür unseren Dank abstatten.
    – Daran hast Du recht gethan, Jovita. Es war ja schon eine große Freundlichkeit, uns Urlaub zu gewähren… und wenn dieser zu Ende ist…
    – Ja, ja, meine Liebe; unsere Plätze werden schon nicht anderweitig besetzt werden.
    – Gut. Doch nachher?
    – Nachher?…
    – Bist Du nicht noch anderswohin gegangen?
    – Ich?… Anderswohin?«
    Jovita Foley schien mit der Sprache zurückhalten zu wollen, doch das hielt sie nicht lange aus, vorzüglich als Lissy Wag noch einmal das Wort an sie richtete.

    »Ist denn heute nicht der elfte Mai? fragte diese.
    – Gewiß, der elfte, meine Liebe, antwortete sie eifrig und mit heller Stimme; schon seit zwei Tagen sollten wir eigentlich in einem Hôtel der schönen Stadt Milwaukee wohnen… wenn, wenn wir nicht durch eine Bronchitis hier an die Scholle gebannt wären.
    – Ja, da wir aber den elften Mai haben, fuhr Lissy Wag fort, muß heute zum sechstenmale gewürfelt worden sein.
    – Ganz richtig.
    – Nun… und…?
    – Und?… Nein, siehst Du, in meinem Leben hab’ ich noch kein so großes Vergnügen gehabt!… Komm, Schatz, laß Dich umarmen! Ich wollte Dir eigentlich nicht davon erzählen, da Du keine Aufregung erfahren sollst. Nun, sei es… es überwältigt mich einmal!
    – So sprich doch, Jovita!
    – Stelle Dir nur vor, meine Liebe, er hat auch neun Augen erhalten, aber aus vier und fünf gebildet…
    – Welcher er?…
    – Nun, der Commodore Urrican…
    – O, mir scheint dieser Wurf noch besser zu sein, als…
    – Ja wohl, er verweist ihn mit einem Male nach dem dreiundfünfzigsten Felde… also viel weiter als alle übrigen; er ist aber auch herzlich schlecht.«
    Jovita Foley überließ sich einem ebenso außergewöhnlichen wie unerklärlichen Jubilieren.
    »Und warum ist er schlecht? fragte Lissy Wag.
    – Weil der Commodore damit zum Teufel gejagt ist.
    – Zum Teufel?…
    – Ja freilich, bis zum äußersten Ende von Florida.«
    Das war in der That das Ergebniß des heutigen Würfelfalles, und Meister Tornbrock. der gegen Hodge Urrican noch eine etwas gereizte Stimmung bewahrte, verkündete diesen Ausfall mit sichtbarer Befriedigung. Der Commodore freilich mochte ihn wohl mit aufbrausendem Ingrimm vernommen haben, vielleicht hatte er gleichzeitig Turk zurückhalten müssen, seiner Wuth die Zügel schießen zu lassen. Etwas Sicheres wußte Jovita darüber freilich nicht, da sie den Saal des Auditoriums nach der Verkündigung des Meister Tornbrock sofort verlassen hatte.
    »Nach dem äußersten Ende von Florida, rief sie immer wieder. nach dem alleräußersten Ende von Florida… über zweitausend Meilen weit von hier!«
    Diese Mittheilung erregte übrigens die Kranke beiweitem nicht in dem Grade, wie ihre Freundin es gefürchtet hatte. Ihr gutmüthiger Charakter ließ sie den Commodore sogar aufrichtig bedauern.
    »Nun, und so gleichgiltig nimmst Du die Sache auf? rief ihre ungestüme Gefährtin.
    – Ach ja… der arme Mann!« murmelte Lissy Wag.
    Der Tag verlief nicht schlecht, wenn auch noch von keiner eigentlichen Genesung die Rede sein konnte. Immerhin waren ernste Complicationen, die ein kluger Arzt stets im Auge behält, nicht mehr zu fürchten.
    Vom nächsten Tage, dem 12., an, konnte sich Lissy Wag schon aufrichten, um etwas Nahrung zu nehmen. Da es ihr noch nicht erlaubt war, das Bett zu verlassen, obwohl das Fieber ganz verschwunden war, wurden beiden, vorzüglich Jovita Foley, die Stunden recht lang. Jovita setzte sich also wieder ins Krankenzimmer, und hier sollte nun die Unterhaltung – wenn auch nicht in der Form eines Dialogs, so doch in der eines Monologs –

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