Das Tibetprojekt
übergeben. Und es musste so geschehen, dass es alle Welt akzeptierte.
Dafür gab es nur einen Weg: den Weg der Dalai Lamas:
Die Reinkarnation.
Und zwar die bewusste und zielgenaue in vorher ausgewählte Personen. So wie die Auswahl des nächsten Dalai Lama politisch
gelenkt war. Decker blickte tief in Gedanken aus dem Fenster – auf die erleuchtete Alte Oper.
Es ging um eine Wiedergeburt.
Decker erschrak.
Hitler musste weit vorausgeplant haben. Er suchte ein widerspruchfreies System für seine steuerbare Wiedergeburt und damit
für die unantastbare Machtübergabe. Und er hatte es auf eine geradezu geniale Art und Weise gefunden.
In der Religion der Dalai Lamas.
Deshalb hatte er die SS nach Tibet geschickt. Er wollte in seinem Reich einen Glauben einführen, der die Reinkarnation – seine
eigene Wiedergeburt – zur Grundlage hatte. In Lhasa suchte er nach der gewaltigsten Bühne der Welt, aber eben nicht nur zu
Lebzeiten, sondern auch für seine künftigen Auftritte. Er wollte die Götterdämmerung im Himalaja inszenieren, aber eine mit
Fortsetzung. Er wollte nicht einfach nur unsterblich oder nur ein Gott werden. Er wollte wie alle Tyrannen |412| der Welt am Ende noch etwas: sein Reich in gute Hände legen. Und zwar wieder in seine eigenen. Und dafür suchte er einen Weg:
die leibhaftige und immer neue Wiederkehr Wotans.
Decker dachte an die uralte tibetische Prophezeiung über ein bevorstehendes dunkles Zeitalter. Die letzte Schlacht um Schambala.
Der Krieg der Welten. Wenn alle Zivilisationen sich gegenseitig vernichtet haben, wird aus der Asche der Ruinen ein neues
Reich entstehen. Ein finsteres Reich, in dem das Böse herrscht, in dem es keine mitfühlenden Buddhas mehr geben wird. Die
apokalyptischen Reiter kehren zurück. Aber es wird kein buddhistisches Heer sein. Was hatte der S S-Mann gesagt, als er in den Tiefen des Potala Palastes verschwand?
Unsere Zeit wird kommen.
Jetzt verstand Decker.
Irgendwo auf der Welt im Verborgenen.
Lebt er.
Die Wiedergeburt.
Beschützt von Getreuen. Das war ihre Aufgabe, deswegen haben sie nach dem Ende des ›Dritten Reiches‹ weiter gemacht. Deswegen
gibt es sie noch heute.
Sie haben ihn in ihrer Mitte.
Hitlers Geist.
Den Nachfolger.
Die Wiedergeburt Adolf Hitlers.
Und nach ihr kommen weitere. Der Geist des Führers durchwandert die Körper und wird weiter leben. Wenn es sein muss, jahrhundertelang.
Bis er eines Tages mitten im Feuer hervortreten kann, um das Werk zu vollenden. Die Geschichte wird sich wiederholen.
|413| Wenn die Zeit gekommen ist.
Unsere Zeit
. Die Zeit von Göritz und seinen Leuten. Sie warteten also immer noch auf den globalen Endsieg.
Auf das erste wirkliche Weltreich der Menschheit.
Ein Reich des Bösen.
Das Vierte Reich.
Decker wurde blass. Ohne es zu ahnen, hatte er ein gewaltiges Phantom gejagt. Ein Wunder, dass er noch lebte. Vielleicht hatte
ihm der chinesische Präsident deshalb Schutz zugesagt. Er sah verstört hinunter auf die menschenleeren Straßen der Nacht.
Informationen zum Buch
Unglaublich, aber wahr: Reichsführer SS Heinrich Himmler war überzeugt, der Ursprung der »arischen Rasse« läge in Tibet. Und
so schickte er 1938 eine Expedition aus Bergsteigern, Wissenschaftlern und Forschern in den Himalaja, die das geheime »Ahnenerbe«
suchen sollten. Siebzig Jahre später wird der deutsche Historiker und Psychoanalytiker Dr. Decker von einer geheimnisvollen
Chinesin nach Tibet gelockt. Er soll das Geheimnis des tibetischen Buddhismus ergründen und eine Aufgabe lösen, die erst vor
kurzem einen Professor das Leben gekostet hat. Rasch erkennt Decker, dass es vieles gibt, was der Westen über Tibet nicht
weiß. Eine gefährliche Reise beginnt ...
Informationen zum Autor
Tom Kahn
ist das Pseudonym eines Frankfurter Schriftstellers. Studium der Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft. Abschluss
mit einer Diplomarbeit über den Dalai Lama. Verschiedene Tätigkeiten bei Industriefirmen, seit 1999 Barkeeper, Kellner, Koch,
Nachtassistent, Gästeführer, Moderator, Abenteurer und Bodyguard.
Weitere Informationen: www.Tomkahn.com
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