Das Tier
ohne sein Studienobjekt aus den Augen zu lassen. Diese neuartige Teleskoptechnik war absolut unglaublich – man blickte durch die Vergrößerungslinsen und konnte innerhalb von zehn Metern alles so genau erkennen, als würde es sich direkt vor der Nase befinden. Da im Versuchsraum völlige Dunkelheit herrschte, arbeitete er mit Infrarotobjektiven. Curvis hatte mit seinem Team Jahre für die Entwicklung benötigt. Es war extrem teuer gewesen, diese Beobachtungsanlage dergestalt einbauen zu lassen, dass bloß ein winziges Fenster in dem Raum benötigt wurde und keine direkte Luftverbindung nach außen entstand. Thars sollte möglichst wenig Sinnesreizung erfahren.
Das Betäubungsmittel war stark genug dosiert gewesen, um eine Herde Elefantenbullen einzuschläfern. Das Studienobjekt hatte kaum vier Stunden geschlafen und anschließend annähernd sechs Stunden gegen die Ketten gekämpft. Seine Ausdauer übertraf alle Erwartungen.
„Er zeigt nun deutliche Anzeichen von Erschöpfung und Resignation. Ich denke, wir werden bald in der Lage sein, die ersten Versuche am Objekt selbst auszuführen.“
Crimson musste sich nicht umdrehen, um zu erleben, wie die anwesenden Wissenschaftler eifrig nickten. Speichellecker! Sie biederten sich an, wollten Teil dieser großartigsten Entwicklung seit Menschengedenken sein, doch eigene Ideen – Fehlanzeige. Interessante Vorschläge, innovatives Querdenken, kritischer Umgang mit dem bereits bekannten Fortschritt, das waren alles Fremdwörter für diesen Haufen unfähiger Fachidioten!
Wie sehr Stian ihm fehlte! Crimson unterdrückte hastig die nostalgische Anwandlung. Stian war immer für Überraschungen gut gewesen, hatte manchmal stundenlang mit einer Teetasse in der Hand dagesessen, lächelnd über Nichtigkeiten geplaudert, um dann plötzlich komplett neuartige Lösungsansätze präsentieren zu können. Aber Stian war tot.
Sogar Romuald wäre eine Bereicherung für Crimsons Team, auch wenn der sich sicherlich geweigert hätte, seinen Sohn als Studienobjekt zu betrachten.
Genau diese Gefühlsduselei hatte Stian zu Fall gebracht. Emotionale Bindungen und Verwicklungen, Gewissenskonflikte, ethisch-moralische Bedenken: Das alles war stets die größte Gefahr für den Fortschritt.
Gefühle, pah! Die machten alles unnötig kompliziert.
„Harrit, filtern Sie die erste Geruchsprobe durch die Lüftung und protokollieren Sie exakt die Reaktionen des Objekts. Achten Sie darauf, die Klappen geschlossen zu halten, damit keine anderen Gerüche mit einfließen“, wies er seinen frisch ernannten persönlichen Assistenten an, bevor er den Platz am Infrarotteleskop räumte. Harrit ließ vor Aufregung beinahe die Probe fallen.
„Vorsicht, mein Lieber. Zitronenduft ist zwar leicht zu beschaffen, aber wir wollen nicht unnötig Zeit verschwenden.“ Crimson lächelte schmal. Unfähig. Alle waren sie unfähig! Hoffentlich hielt sich wenigstens Kiros an den Plan und lieferte brauchbare Ergebnisse mit dem zweiten Objekt.
Evolution 4 ist ein Fehlschlag, das müssen wir akzeptieren, dachte er. Statt die Menschen zu perfektionieren, indem ihre Hirnkapazität vollständig ausgenutzt wurde, verstärkte Evolution 4 ihre Gefühle und niederen Instinkte, während einzelne Hirnzentren nach Zufallsprinzip extreme Potenzierung erfuhren. Bei Thars war es der Geruchssinn. Bei Tymon hatte sich die Feinmotorik gesteigert, was er mit akribischen Versuchen an seinen Opfern ausprobiert hatte. Die anderen waren leider entkommen, bevor protokolliert werden konnte, in welchen Bereichen sie sich perfektioniert hatten. Wobei Crimson vermutete, dass es bei Bela der Geschmackssinn gewesen sein musste. Welchen Grund sollte er sonst für den Kannibalismus gehabt haben?
Stian hatte vermutlich Recht mit seiner These, dass es vom Charakter des Einzelnen abhängt, was nach der Wandlung aus ihm wird.
Genau das war der Fehler an Evolution 4.
Wir brauchen Versuchsreihen, um herauszufinden, welches Hirnzentrum für die Persönlichkeit zuständig ist. Das muss ausgeschaltet werden. Dazu alle Zentren, die Emotionen steuern. Ein wahrhaft vollkommener Mensch muss seine Gefühle nicht unterdrücken, er ist von diesen evolutionären Rückständen unserer Urahnen befreit. Fort mit den Emotionen, dann kann die Logik gedeihen, die Sinne sich entfalten, der Körper Perfektion finden.
Letzteres war bei Thars offenkundig bereits gelungen. Daran sollte nicht gerührt werden.
Evolution 5 wird uns weiter voranbringen. Der Ansatz ist genau
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