Das Tier
zittern, vermied es aber, zu dick aufzutragen und künstlich zu schluchzen. Das dort war kein hohlköpfiger Kerkerwächter oder Stadtgardist. Kiros war ein hochintelligenter, gefährlicher Mann, den er nicht einem Moment lang unterschätzen durfte.
„Du … du hast letzte Nacht sehr besorgt um ihn gewirkt und eben beim Erwachen hast du zuallererst seinen Namen gerufen.“
„Lebt er etwa noch?“ So gut es ging, täuschte Cyrian Erschrecken vor. Bloß keine Hoffnung zeigen!
„Thars ist … ich bin total von ihm abhängig“, flüsterte er. Verflucht, war das Lügen anstrengend, wenn man keine Körpersprache einsetzen konnte! „Er hat mich wie einen Gefangenen gehalten und … benutzt. Doch ohne ihn hätte ich nicht überlebt. Er hat mich vor der Garde beschützt und aus dem Kerker befreit, Doktor Lerome dazu gebracht, meine Wunden zu versorgen, ohne Fragen zu stellen. Er hat mir Geld und teure Klamotten geschenkt … Verstehen Sie, für jemanden wie mich ist es pures Glück, einen reichen Gönner zu haben. Besser man dient einem Herrn als hunderten. Trotzdem, er ist ein wildes Tier, in jeder Hinsicht. Er kann die ganze Nacht, und sein Ding in der Hose ist so mächtig …“ Keuchend hielt Cyrian inne, er hatte sich in seine Rolle hineingesteigert, sodass ihm tatsächlich einige Tränen über die Wange liefen.
Die Mühe war nicht umsonst: Kiros schwitzte, sein Blick flackerte beständig in Cyrians mittlere Körperregion und er musste sich mehrfach räuspern, bevor er zum Sprechen ansetzte.
„Hab keine Angst, mein Junge. Thars lebt, aber Crimson hält ihn sicher eingesperrt. Ich habe sehr viel Geld gespendet, um Crimsons Keller ausbruchsicher zu machen.“
„Bin ich auch in diesem Keller? Ist das Tier etwa nebenan?“ Wie wild rollte Cyrian mit den Augen, da er den Kopf nicht herumreißen konnte.
„Du bist bei mir, mein Hübscher. Thars ist weit weg.“
Kiros schien zu merken, wie vertraulich er sich gerade gab und trat hastig einen Schritt zurück.
„Mein Keller ist natürlich auch ausbruchsicher und du bist hier, damit ich deine Wandlung erforschen kann. Mach dir keine falschen Hoffnungen.“
„Ich hoffe, Sie werden netter zu mir sein als er“, erwiderte Cyrian mit einem scheuen Lächeln. Die vergangenen acht Jahre waren wohl nicht vergeudet gewesen, er konnte Lügen und Schauspielern wie die Theaterleute.
Kiros hustete erneut krampfhaft.
„Ich will dir nicht weh tun“, brachte er zögerlich hervor. „Ein bisschen wird sich das nicht vermeiden lassen. Zum Beispiel werde ich dir gleich Blut abnehmen müssen. Trotzdem will ich dafür sorgen, dass du es bei mir nicht schlecht hast.“
Seine schwitzige Hand streichelte sanft über Cyrians Wange.
Lächeln!, kommandierte er sich selbst. Nicht aufhören zu lächeln, du kriegst ihn noch weich gekocht!
Thars hing matt in seinen Fesseln. Er war angekettet! Man hatte ihn schon wieder in einem viel zu kleinen, stockfinsteren Raum an die Wand gekettet. Stundenlang hatte er gewütet, versucht sich zu befreien. Vergebens.
Dieser Raum war schlimmer als der Kerker, hatte er mittlerweile festgestellt. Dort war er vom Gestank nach Schuld und menschlicher Grausamkeit gefoltert worden. Hier war er so stark abgeschottet, dass er nichts hören konnte außer seinem Herzschlag, seinen Atem, das Gluckern in seinen Därmen, das Knistern seiner Nervenbahnen, das Klirren der Ketten … Es gab nichts zu riechen, außer ihm selbst, Metall und die schwindende Witterung derjenigen, die ihn hergeschleppt hatten. Dieses Nichts war entsetzlicher als alle Verdorbenheit dieser Welt zusammen. In seinem Verlies war er von Leben umgeben gewesen. Hier wimmelte es bloß vor Einsamkeit, Verzweiflung und Angst um Cyrian.
Cyrian!
Er stöhnte furchtsam. Was war geschehen, nachdem ihn die Kugel getroffen hatte? Was hatten sie mit seinem Engel vor?
Wenn es nur um ihn ginge, wäre ihm die Gefangenschaft egal. Sollten sie an ihm herumexperimentieren, ihn töten … Aber nun gab es Cyrian in seinem Leben und er könnte es nicht ertragen, wenn sein Lockenschopf leiden müsste. Und in Kiros‘ Händen würde er das unweigerlich. Kiros würde es sich nicht nehmen lassen, ganz ganz vorne mitzumischen und Crimson nicht die alleinige Führung über die Valorsaner überlassen.
Erneut warf sich Thars brüllend vor, riss an seinen Ketten, bis seine Gelenke bluteten und seine Nase wegen des Geruchs nach roten, frischen Zellen brannte. Dennoch tobte er weiter. Seine Wut war im Moment der einzige
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