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Das Tor ins Nichts

Titel: Das Tor ins Nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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biß er mir kräftig in den Daumen und zerkratzte mir beide Hände, ehe er mit einem Satz verschwand.
    Fluchend steckte ich meinen blutenden Daumen in den Mund, blickte dem Kater einen Moment lang mit Mordgedanken im Kopf hinterher und sah dann nach oben. Eines der Papierkügelchen, mit denen Merlin im Arbeitszimmer gekämpft hatte, war auf den Gang und ein paar Stufen die Treppe hinuntergerollt. Und trotz der großen Entfernung sah ich deutlich, daß es blutbeschmiert war.
    Plötzlich war ich doch ein wenig beunruhigt. Wo eine Ratte war, da konnten auch noch mehr sein, und das Tier war groß genug, um selbst einem Menschen gefährlich zu werden. Ich ging ein paar Schritte die Treppe hinauf, blieb aber dann stehen und wartete, bis Harlan zurück war, ehe ich zusammen mit ihm das Arbeitszimmer betrat.
    Wir durchsuchten das Zimmer von einem Ende zum anderen.
    Die Spuren des Kampfes waren unübersehbar die Ratte mußte sich verzweifelt gewehrt haben, ehe Merlin sie schließlich in eine Ecke gedrängt und erlegt hatte, wie sich anhand der Blutspuren leicht rekonstruieren ließ. Aber das war auch alles, was wir herausfanden. Es gab keine Erklärung für das plötzliche Auftauchen der Ratte: Die Fenster waren geschlossen, die Fußleisten und Wände unversehrt Harlan und ich rückten jedes einzelne Möbelstück ab und sahen selbst hinter die Bücher in den Regalen , und der Fußboden bestand unter dem aufgelegten Parkett aus Beton, an dem sich selbst eine Ratte die Zähne ausgebissen hätte. Kurzum, wir fanden keinerlei Hinweis darauf, wie das Tier hier hereingekommen war. Es gab ja nicht einmal eine Klimaanlage, durch deren Schächte die Ratte hätte heraufklettern können.
    Andererseits AndaraHouse war ein sehr großes Haus, eine Stadtvilla, die zwar relativ neu, aber nach Originalplänen aus dem neunzehnten Jahrhundert errichtet worden war, einer Zeit also, in der man noch großzügig zu bauen verstand. Und zumindest ihre Keller waren so alt, wie die überirdischen Teile zu sein vorgaben. Dort unten mochte sich alles mögliche Ungeziefer herumtreiben. Der Vorfall erstaunte mich, aber ich verschwendete auch nicht allzu viele Gedanken daran, sondern wies Harlan nur an, die Augen ein bißchen offenzuhalten und einen Kammerjäger zu rufen, sollte sich weiteres Ungeziefer zeigen. Danach zog ich mich um und verließ das Haus. Ich hatte eine Verabredung mit Jeremy jene schreckliche Nacht, die wir gemeinsam erlebt hatten, war der Anfang einer tiefen Freundschaft gewesen, und seit damals trafen wir uns regelmäßig in seinem Club, um Schach zu spielen oder einfach ein wenig zu reden. Als ich in den Porsche stieg und losfuhr, hatte ich die Ratte schon längst vergessen.
    Der Butler, der mir eine halbe Stunde später die Tür des Clubhauses öffnete, behandelte mich wie immer mit ausgesuchter Höflichkeit, aber mir entging der tadelnde Blick keineswegs, mit dem er mich maß, als er glaubte, ich sähe es nicht. Es hatte Jeremy Card all seinen Einfluß gekostet, mir überhaupt Zugang zu diesem Club zu ermöglichen, der einer der ältesten und traditionsbewußtesten der Stadt war. Und nicht einmal das Personal machte einen großen Hehl daraus, daß ich nicht unbedingt dem Standard der Gäste entsprach. Zum einen war ich zu jung. In einem Club wie diesem erwartete man gesetzte ältere Herren von Rang und Bedeutung, keinen Zwanzigjährigen, dessen einziges Verdienst darin bestand, zufällig der Erbe eines großen Vermögens zu sein, Herren mit graumelierten Schläfen und Maßanzügen, keinen jeanstragenden Porschefahrer, der sich noch dazu eine weiße Strähne ins Haar gefärbt hatte. Zumindest im letzten Punkt war ich allerdings unschuldig die schlohweiße, wie ein Blitz gezackte Haarsträhne, die sich von meinem Scheitel bis zur linken Schläfe zieht, war ein Scherz der Natur, mit dem ich bereits auf die Welt gekommen war, ebenso wie mein Vater und vor ihm dessen Vater aber wer würde mir das wohl glauben, in einem Zeitalter, in dem es Mode war, sich das Haar in grünviolette Streifen zu färben und sich Sicherheitsnadeln durch die Wangen zu stecken?
    Nicht, daß mich die Mißbilligung der anderen Clubmitglieder irgendwie störte ganz im Gegenteil. Anfangs hatte ich mir sogar einen Spaß daraus gemacht, sie durch ein bewußt saloppes Benehmen noch weiter zu reizen; bis Jeremy, der wegen seiner schroffen Art ohnehin ein gewisses Außenseiterdasein im Club führte, mich eines Tages zur Seite nahm und mich bat, es nicht zu übertreiben.

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