Das Tor Zur Hölle
umgebenden Verwesung hervor.
Die Türklingel schrillte ein drittes Mal.
»Dein Besucher ist ziemlich beharrlich«, sagte er, diesmal höflicher, da sein Befehl nicht gefruchtet hatte. »Ich denke wirklich, daß du an die Tür gehen solltest.«
Sie wich vor ihm zurück, und er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Körper auf dem Boden zu.
Wieder ertönte die Klingel.
Vielleicht war es besser, aufzumachen. Sie war schon aus dem Zimmer und versuchte, nicht die Geräusche zu hören, die Frank verursachte — besser, der Wirklichkeit die Tür zu öffnen. Wahrscheinlich würde es ein Mann sein, der ihr Versicherungen verkaufen wollte, oder ein Zeuge Jehovas, mit Neuigkeiten über die Erlösung. Ja, es käme ihr gut zupaß, davon zu hören. Die Klingel schrillte abermals. »Ich komme«, sagte sie und beeilte sich jetzt, aus Angst, daß der Besucher weggehen könnte. Mit einem freundlichen Lächeln auf dem Gesicht öffnete sie die Tür. Es erstarb augenblicklich.
»Kirsty.«
»Ich wollte gerade wieder weggehen.«
»Ich habe … ich habe geschlafen.«
»Oh.«-
Kirsty musterte sie. Nach Rorys Beschreibung hatte sie erwartet, eine ausgemergelte Person zu sehen, doch was sie erblickte, war das genaue Gegenteil. Julias Gesicht war gerötet; Strähnen schweißnassen Haars klebten an ihrer Stirn. Sie sah nicht aus wie eine Frau, die gerade aus dem Schlaf aufgewacht war. Vielleicht kam sie aus einem Bett — aber geschlafen hatte sie nicht.
»Ich bin nur …«, sagte Kristy, »… auf ein Schwätzchen vorbeigekommen.«
Julia zuckte halbherzig mit den Schultern.
»Nun, im Moment paßt es mir nicht so recht«, sagte sie.
»Ich verstehe.«
»Vielleicht können wir uns irgendwann in den nächsten Tagen zusammensetzen …?«
Kirstys Blick ging an Julia vorbei zum Garderobenständer im Flur. Der Gabardinemantel eines Mannes hing an einem der Haken, noch immer feucht.
»Ist Rory zuhause?« erkundigte sie sich.
»Nein«, sagte Julia. »Natürlich nicht. Er ist in der Arbeit.« Ihr Gesicht verhärtete sich. »Bist du deshalb vorbeigekommen?« fragte sie. »Um Rory zu sehen?«
»Nein, ich …«
»Dafür brauchst du meine Erlaubnis nicht. Er ist ein erwachsener Mann. Ihr könnt verdammt nochmal tun und lassen, was euch gefällt.«
Kirsty versuchte nicht, die Anschuldigung abzustreiten.
Die Direktheit betäubte sie.
»Geh nach Hause«, sagte Julia. »Ich habe keine Lust, mit dir zu reden.«
Sie schlug die Tür zu.
Kirsty stand noch eine halbe Minute zitternd auf der kleinen Treppe vor dem Haus. Sie hatte keinen Zweifel daran, was hier vor sich ging. Der tropfende Regenmantel; Julias Erregung; ihr gerötetes Gesicht, ihr plötzlicher Wutausbruch. Ein Liebhaber war im Haus. Der arme Rory hatte alles gründlich mißverstanden.
Sie stieg die Stufen hinunter, eine Vielzahl von Gedanken wirbelten in ihrem Kopf. Schließlich löste sich einer aus dem Rudel: Wie sollte sie es Rory sagen? Ihm würde das Herz brechen, da war sie ganz sicher. Und sie, die glücklose Überbringerin der Nachricht, würde ebenfalls in einem schlechten Licht dastehen, oder nicht? Sie hätte heulen mögen.
Es kamen jedoch keine Tränen; ein anderes, beharrlicheres Gefühl drängte sich in den Vordergrund, als sie von der Zufahrt auf den Bürgersteig bog.
Sie wurde beobachtet. Sie konnte spüren, wie sich die Blicke in ihren Hinterkopf bohrten. War es Julia? Irgendwie glaubte sie das nicht. Dann also der Geliebte. Ja, der Geliebte!
Als sie nicht mehr im Schatten des Hauses war, gab sie dem Drang nach, sich umzudrehen und zurückzuschauen.
Frank stand im feuchten Zimmer und starrte durch das Loch, das er in das Rollo gebohrt hatte. Die Besucherin — deren Gesicht er vage wiedererkannte — starrte am Haus hinauf; genau zu seinem Fenster sogar. In dem sicheren Gefühl, daß sie ihn nicht sehen konnte, erwiderte er ihren Blick. Er hatte ohne Frage schon begehrenswertere Geschöpfe gesehen, doch etwas an ihrer Reizlosigkeit zog ihn an. Seiner Erfahrung nach waren solche Frauen oft unterhaltsamer als Schönheiten wie Julia. Man konnte sie mit Schmeicheleien oder Einschüchterungen zu Handlungen bringen, die sich Schönheiten nie würden gefallenlassen; und sie waren auch noch dankbar dafür, überhaupt beachtet worden zu sein. Vielleicht würde sie wiederkommen, diese Frau. Er hoffte, daß sie es tun würde.
Kirsty ließ ihren Blick über die Fassade des Hauses gleiten, doch es war nichts zu finden; die Fenster waren entweder leer oder mit Gardinen
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