Das Tor Zur Hölle
selten an, und wenn er es tat, war es zumeist in seinem und Julias Namen. Diesmal jedoch nicht. Diesmal war Julia das Thema.
»Irgend etwas stimmt mit ihr nicht, Kirsty …«, sagte er. »Ich weiß nicht, was.«
»Du meinst, sie ist krank?«
»Vielleicht. Sie benimmt sich mir gegenüber so merkwürdig. Und sie sieht schrecklich aus.«
»Hast du sie schon einmal darauf angesprochen?«
»Sie sagt, es ginge ihr gut. Aber das stimmt nicht; ich habe mich gefragt, ob sie vielleicht dir etwas erzählt hat.«
»Ich habe sie seit der Einweihungsfeier nicht mehr gesehen.«
»Das ist auch so seltsam. Sie will das Haus überhaupt nicht mehr verlassen. Das kenne ich von ihr gar nicht.«
»Möchtest du, daß … daß ich mal mit ihr rede?«
»Würdest du das tun?«
»Ich weiß nicht, ob es etwas nützen wird, aber ich werde es versuchen.«
»Aber sag ihr nicht, daß ich mit dir darüber gesprochen habe.«
»Natürlich nicht. Ich schaue morgen mal bei bei euerm Haus vorbei …«
»Morgen. Es muß morgen geschehen.«
»Ja … ich weiß.«
»Ich fürchte, daß ich meine Kraft verliere, Julia. Daß ich an fange zurückzugleiten.«
»Ich rufe dich Donnerstag vom Büro aus an. Dann kannst du mir erzählen, was du davon hältst.«
»Zurückzugleiten?«
»Sie werden mittlerweile dahintergekommen sein, daß ich ih nen entwischt bin.«
»Wer wird das herausgefunden haben?«
»Der Orden der Wunden. Die Bastarde, die mich
eingesperrt haben …«
»Sie lauern auf dich?«
»Gleich hinter der Wand.«
Rory sagte zu Kirsty, wie dankbar er ihr sei, und sie erklärte im Gegenzug, daß dies das Mindeste wäre, was eine Freundin tun könne. Dann legte er den Hörer auf, und sie hörte nur noch den Regen, der auf die tote Leitung zu tropfen schien.
Nun waren sie beide Julias Diener, die sich um ihr Wohlbefinden kümmerten, sich vor Sorge verzehrten, wenn sie einmal schlecht träumte.
Aber egal, es war wenigstens eine Art von Zusammengehörigkeit.
Der Mann mit der weißen Krawatte hatte nicht lange gezögert. Beinahe im selben Augenblick, als er Julia erblickte, kam er zu ihr herüber. Noch während er sich ihr näherte, entschied sie, daß er nicht geeignet war. Zu groß; zu selbstbewußt. So wie sich der erste gewehrt hatte, war sie entschlossen, nun mit etwas mehr Sorgfalt auszuwählen. Also sagte sie zu der weißen Krawatte, als er sie fragte, was sie trinken wolle, daß er sie in Ruhe lassen solle.
Er war offensichtlich an Abweisungen gewöhnt und zog sich an die Bar zurück. Sie wandte sich wieder ihrem Drink zu.
Heute regnete es heftig — es hatte schon, mit kleineren Unterbrechungen, seit drei Tagen geregnet — und es war weniger Kundschaft hier als in der letzten Woche. Ein oder zwei durchgeweichte Männer kamen von der Straße herein, doch keiner warf mehr als einen kurzen Blick auf sie. Und die Zeit verstrich. Es war schon nach zwei! Sie würde nicht riskieren, noch einmal von Rorys Heimkehr überrascht zu werden, leerte ihr Glas und entschied, daß heute einfach nicht Franks Glückstag war. Dann trat sie aus der Bar in den Regen hinaus, spannte ihren Schirm auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Wagen. Während sie ging, hörte sie plötzlich Schritte hinter sich, und dann war die weiße Krawatte neben ihr und sagte:
»Mein Hotel ist ganz in der Nähe.«
»Oh …«, murmelte sie und ging einfach weiter. Doch er ließ sich nicht so leicht abwimmeln.
»Ich bin nur für zwei Tage in der Stadt«, sagte er.
Führe mich nicht in Versuchung, dachte sie bei sich.
»Ich suche nur nach etwas Gesellschaft …«, fuhr er fort, »und habe noch keine Seele gefunden, mit der ich mich unterhalten könnte.«
»Was Sie nicht sagen.«
Er umfaßte ihr Handgelenk. Sein Griff war so fest, daß sie beinahe aufgeschrien hätte. In diesem Augenblick wurde ihr klar, daß sie ihn töten mußte. Er schien das Verlangen in ihren Augen zu sehen.
»Mein Hotel?« fragte er.
»Ich mag Hotels nicht. Sie sind so unpersönlich.«
»Hast du eine bessere Idee?«
Natürlich hatte sie die.
Er hängte seinen tropfenden Regenmantel an den Garderobenständer, und sie bot ihm einen Drink an, den er gerne annahm. Sein Name war Patrick, und er kam aus Newcastle.
»Bin geschäftlich hier. Aber irgendwie klappt es nicht besonders.«
»Warum?«
Er zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich bin ich ein schlechter Vertreter. So einfach ist das.«
»Was verkaufst du denn?« fragte sie ihn.
»Was kümmert es dich?« erwiderte er schnell.
Sie
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