Das Tor Zur Hölle
erste hinter einem umgedrehten Sessel ab. Dann verschloß sie die Tür hinter sich. Im selben Augenblick rief Rory vom Fuß der Treppe nach oben. Er kam herauf.
»Julia? Julia, Schätzchen. Bist du da?«
Sie schlüpfte ins Badezimmer und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel. Er zeigte ihr ein gerötetes Gesicht. Hastig nahm sie die Bluse, die sie neben der Badewanne aufgehängt hatte, und zog sie an. Sie roch seltsam, und zwischen den Blümchen waren deutlich Blutspritzer zu erkennen, doch sie hatte nichts anderes zum Anziehen.
Er kam den Flur entlang; sie hörte seine dröhnenden Schritte. »Julia?«
Diesmal antwortete sie — ohne einen Versuch zu unternehmen, das Zittern ihrer Stimme zu verbergen. Der Spiegel hatte ihre Befürchtungen bestätigt: daß es keine Möglichkeit gab, ihre Aufregung zu verheimlichen. Also war sie gezwungen, aus der Not eine Tugend zu machen.
»Bist du okay?« fragte er sie. Er stand draußen vor der Badezimmertür.
»Nein«, sagte sie. »Mir ist schlecht.«
»Oh, Liebling …«
»Es wird mir gleich wieder besser gehen.«
Er drückte die Klinke herunter, doch sie hatte die Tür verriegelt.
»Kannst du mich bitte einen Moment allein lassen?«
»Soll ich einen Arzt rufen?«
»Nein«, erklärte sie ihm. »Nein. Wirklich nicht. Aber ich könnte einen Brandy gebrauchen …«
»Brandy …?«
»Ich komme gleich nach unten.«
»Was immer Madame befehlen«, witzelte er. Sie zählte seine Schritte, als er zur Treppe schlurfte und hinunterging. Als sie schließlich ausgerechnet hatte, daß er außer Hörweite sein mußte, schob sie den Riegel zurück und trat in den Flur hinaus.
Das Licht des späten Nachmittags wurde immer schwächer; der Flur glich einem düsteren Tunnel.
Von unten hörte sie das Aneinanderschlagen von Gläsern. Sie huschte so schnell sie es sich traute, zu Franks Zimmer.
Es drang kein Geräusch aus dem düsteren Raum. Die Wände zitterten nicht mehr; ebensowenig läutete die Glocke. Sie stieß die Tür auf; sie knarrte leise.
Nach getaner Arbeit hatte sie nicht ordentlich sauber gemacht. Es lag Staub auf dem Boden, menschlicher Staub; und kleine Stückchen gedörrten Fleisches. Sie ging in die Hocke und sammelte sie alle einzeln auf. Rory hatte recht gehabt. Was für eine perfekte Hausfrau sie doch war.
Als sie sich wieder aufrichtete, bewegte sich etwas in den immer dunkler werdenden Schatten des Zimmers. Sie schaute in Richtung der Bewegung, doch bevor sie die Gestalt in der Ecke noch richtig ausmachen konnte, sagte eine Stimme:
»Sieh mich nicht an.«
Es war eine matte Stimme — die Stimme eines Menschen, den die Geschehnisse ausgelaugt hatten; aber sie war greifbar. Die Silben wurden von derselben Luft getragen, die sie atmete.
»Frank«, sagte sie.
»Ja …«, erwiderte die gebrochene Stimme, »… ich bin’s.«
Rory rief von unten zu ihr herauf. »Fühlst du dich schon besser?«
Sie ging zur Tür.
»Viel besser …«, erwiderte sie laut. Hinter ihr sagte das verborgene Wesen: »Laß ihn nicht in meine Nähe«, die Worte kamen schnell und eindringlich.
»Ist schon gut«, flüsterte sie ihm zu. Und dann, an Rory gewandt: »Ich bin in einer Minute bei dir. Leg doch etwas Musik auf. Etwas Beruhigendes.«
Rory erwiderte, daß er es tun würde und zog sich ins Wohnzimmer zurück.
»Ich bin erst halb fertig«, sagte Franks Stimme. »Ich möchte nicht, daß du mich … möchte nicht, daß irgend-
Abermals kamen die Worte jemand mich … so sieht.
. Ich brauche noch mehr schleppend und verzerrt. Blut, Julia.«
»Mehr?«
»Und schnell.«
»Wieviel mehr?« fragte sie die Schatten. Diesmal konnte sie ein klein wenig besser ausmachen, was sich dort verborgen hielt. Kein Wunder, daß er von niemand gesehen werden wollte.
»Einfach mehr», sagte er. Auch wenn es kaum lauter als ein Flüstern war, lag doch eine Dringlichkeit in der Stimme, die ihr Angst machte.
»Ich muß gehen …«, sagte sie, als sie Musik von unten hörte.
Diesmal gab die Dunkelheit keine Antwort. An der Tür drehte sie sich noch einmal um.
»Ich bin froh, daß du zurückgekommen bist«, flüsterte sie. Als sie dir Tür schloß, hörte sie hinter sich einen Laut, der einem Lachen sehr ähnlich war — oder einem Schluchzen.
SIEBEN
»Kirsty?« Bist du das?«
»Ja? Wer spricht da?«
»Ich bin’s, Rory …«
Die Verbindung war verwaschen, als ob der Wolkenbruch draußen in das Telefon gesickert sei. Trotzdem war sie einfach glücklich, von ihm zu hören. Er rief so
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