Genial gescheitert - Schicksale großer Entdecker und Erfinder
Scheitern auf hohem Niveau
Die historische Entwicklung von Technik und Naturwissenschaft wird meist als eine lückenlose Folge von grandiosen Erfolgen genialer Menschen dargestellt. Doch so war es nie, und so ist es auch heute nicht. Unzählige Erfinder und Forscher endeten in Sackgassen oder verirrten sich im Dickicht ihrer Ideen.
Freilich waren sehr viele Forschungsarbeiten von Beginn an zum Scheitern verurteilt, wie die Suche nach dem perpetuum mobile oder die Verwandlung von Quecksilber in Gold. Die erfolglosen Erfinder dieser Kategorie sind vergessen, und das aus gutem Grunde. Es gab jedoch eine Reihe äußerst intelligenter Menschen, die in ihrem Leben Herausragendes geleistet haben, sich dann aber ein Ziel setzten, das sie nie erreichten. Über diese, auf hohem Niveau gescheiterten Helden geht es in diesem Buch.
Sie waren ihrer Zeit weit voraus. Mit ihren Ideen bedrohten sie damalige Konventionen und forderten ihre Kollegen zu heftigen Diskussionen heraus. Die Gründe des Scheiterns sind vielfältig: heftiger Widerstand der damaligen Koryphäen, fehlender Weitblick der Politiker und Geldgeber oder fehlende technische Voraussetzungen.
Oft setzten sich die Ideen erst nach Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten durch. Im Fall des antiken Astronomen Aristarch von Samos, der behauptete, die Sonne stehe im Zentrum des Universums und nicht die Erde, dauerte es zwei Jahrtausende. Die Suche nach der »Weltformel«, die Einstein drei Jahrzehnte lang beschäftigte, dauert bis heute an. Ausnahmeforscher wieStephen Hawking sind Einstein auf seinem Weg gefolgt, der am Ziel den Heiligen Gral der Physik verspricht.
In den Reigen der genial Gescheiterten gehört auch der Polarforscher Alfred Wegener. Er veröffentlichte 1912 die Theorie der Kontinentalverschiebung und erntete dafür von den Autoritäten nur Hohn und Spott. Er starb auf tragische Weise im grönländischen Eis – drei Jahrzehnte vor der allgemeinen Anerkennung seiner Theorie. Heute gehört sie zum Schulwissen.
Ein ähnlich trauriges Schicksal ereilte den Arzt Ignaz Semmelweis. Er entdeckte, dass das Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal beruhte. Fast alle Professoren fühlten sich in ihrer Ehre zutiefst gekränkt, sollten sie doch schuld an dem Tod Tausender Frauen und Kinder sein. Semmelweis beschimpfte daraufhin die »Götter in Weiß« auf nicht eben diplomatische Weise als Mörder. Er starb auf ungeklärte Weise in einer Nervenheilanstalt.
Oder Ludwig Boltzmann, einer der berühmtesten Physiker seiner Zeit, der gegen einflussreiche Forscher leidenschaftlich für die Ansicht kämpfte, die Materie bestehe aus Atomen. Nur wenige Jahre nach seinem Selbstmord wurde diese Hypothese experimentell bestätigt.
Im Bereich der Erfindungen trugen sich viele der hier beschriebenen Schicksale Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts zu. Es war die Zeit der Industrialisierung, die eine wesentliche Neuerung hervorbrachte: die zuverlässige und damit auch technisch verwertbare Erzeugung elektrischen Stroms. In dieser Ära entstanden viele Firmen, von denen sich einige zu Weltkonzernen entwickelten. Dazu zählt Siemens ebenso wie AT & T Bell, die aus der Edison General Electric Company hervorging, oder der Medienkonzern Columbia Broadcasting System (CBS), an dessen Beginn unter anderen die Westinghouse Electric Corporation stand.
In dieser für unsere heutige Zeit entscheidenden Epoche treffen wir auf den Lehrer Philipp Reis. Er entwickelte das Grundprinzip des Telefons, erlebte aber dessen globalen Siegeszugals eines der bedeutendsten Alltagsprodukte nicht mehr. Er starb zu jung, und die Verantwortlichen der Telegrafenbehörden verkannten die Bedeutung seiner Erfindung.
Auch Otto Lilienthal starb zu früh. Er entwickelte die Grundlagen des Gleitflugs, konnte jedoch nicht mehr an dessen Durchbruch teilhaben: Wenige Jahre vor dem Erstflug eines motorisierten Flugzeugs der Gebrüder Wright verunglückte Lilienthal bei einem seiner spektakulären Flugversuche nahe Berlin tödlich.
Zu den unglücklichen Erfindern und Tüftlern zählt ebenfalls der Engländer Charles Babbage. Trotz blendender Voraussetzungen für eine steile Karriere als Hochschulmathematiker widmete er sein Leben nur einem einzigen Ziel: dem Bau einer Rechenmaschine. Er initiierte damit das größte zivile Forschungsprojekt im England des 19. Jahrhunderts und entwickelte Grundprinzipien heutiger Computer, als deren Urvater er gilt.
Bei allen technischen Erfindungen spielte
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