Das Treffen in Telgte
bieten.
Daraufhin machte Gelnhausen mit seinen Kaiserlichen vor dem Stall, vor dem Brückenhof, in dessen Diele, die Stiegen hoch und vor allen Kammern dergestalt Lärm, daß sich die angeketteten Hofhunde schier erwürgten, und gab nicht Ruhe, bis alle Gäste mit ihren Fuhrknechten aus dem Schlaf gerissen waren. Kaum hatten sich die Herren – es waren hansische Kaufleute, die von Lemgo her weiter nach Bremen wollten – vor dem Wirtshaus versammelt, befahl ihnen Gelnhausen, den Brückenhof zu räumen. Er förderte seinen Befehl mit dem Hinweis: Wer sein Leben liebe, der halte Distanz. Es seien unter den matten, wie man ja sehe, hinfälligen Gestalten auf und vor den Fuhrwerken etliche von der Beulenpest befallene Leichenstrohkandidaten. Er geleite mit seinem Kommando ein Malheur, das, um die Friedensverhandlungen nicht zu stören, beiseite geschafft werden müsse, weshalb er, als Leib-Medicus des päpstlichen Nuntius Chigi, nicht nur kaiserliche, sondern obendrein schwedische Order habe, den morbiden Haufen in Quarantäne zu bringen. Und zwar sofort und ohne Widerrede, sonst zwinge man ihn, die Fuhrwerke der Kaufleute samt Stapelware am Emsufer zu verbrennen. Die Pest – das wisse jeder und das sage er als Arzt, der mit allen Weisheiten Saturns geschlagen sei – schone den Reichtum nicht, raffe vielmehr mit Vorbedacht Kostbarkeiten und bedenke Herren in Brabanter Tuch besonders gerne mit ihrem Fieberatem.
Als sich die Herren eine schriftliche Begründung ihrer Ausweisung erbaten, zog Gelnhausen seinen Degen, nannte den seinen Federkiel, wollte wissen, wem er’s zuerst schriftlich geben solle, und sagte dann: Er müsse die jetzt gleich abreisenden Gäste des Brückenhofes dringlich ersuchen, im Namen des Kaisers und seiner Widersacher, Stillschweigen über den Anlaß des plötzlichen Aufbruchs zu wahren, beim Mars und seinen scharfen Hunden.
Nach dieser Ansprache war der Brückenhof schnell geräumt. Zügiger wurde nie angespannt. Wo man zögerte, halfen die Musketiere nach. Bevor Dach mit einigen der Poeten gegen die Unmoral dieses Bubenstücks laut genug protestieren konnte, hatte Gelnhausen Quartier gemacht. Zwar unter Bedenken, doch beschwichtigt von Moscherosch und Greflinger, die den Vorgang als Satyrspiel gewertet und belacht sehen wollten, suchte man die geräumten Kammern und noch warmen Betten auf.
Da neben dem Kaufmann Schlegel etliche Buchdrucker aus Nürnberg, Straßburg, Amsterdam, Hamburg und Breslau als Verleger der Einladung Dachs gefolgt waren, konnte man der Wirtin Libuschka, die offenbar Spaß hatte an ihren neuen Gästen, den entstandenen Schaden leicht ausgleichen, zumal die ausquartierten Hansen einige Stoffballen, paar Stück Tafelsilber und vier Faß rheinisches Braunbier zurückgelassen hatten.
Im seitlich vorgebauten Stall richtete sich Gelnhausens Kommando ein. Von der Vordiele, zwischen der Kleinen Wirtsstube und der Küche, hinter denen die Große Diele anschloß, stiegen die Poeten auf zwei Treppen in das Obergeschoß des Brückenhofes. Schon war man weniger bedrückt. Nur noch die Wahl der Kammern ließ kleinen Streit zu. Zesen legte sich mit Lauremberg an, nachdem er einen Wortwechsel mit Rist gehabt hatte. Der Medizinstudent Scheffler stand in Tränen. Ihn, Birken und Greflinger bettete Dach, weil die Kammern nicht reichten, im Strohlager des Dachbodens.
Dann hieß es, daß dem alten Weckherlin der Puls nur noch matt gehe. Schneuber, der sich mit Moscherosch eine Kammer teilte, verlangte nach Wundsalbe. Gerhardt und der Magister Buchner wollten jeder eine Kammer für sich. Zu zweit zogen Hoffmannswaldau und Gryphius, Czepko und Logau ein. Harsdörffer trennte sich nicht von seinem Verleger Endter. Rist zog es zu Zesen wie Zesen zu Rist. Bei alledem ging die Wirtin mit ihren Mägden den neuen Gästen zur Hand. Einige Namen der Herren kannte die Libuschka. Sie konnte Kirchenliedstrophen von Gerhardt aufsagen. Harsdörffer gab sie mit zierlichen Zitaten aus dem Gärtchen der Pegnitzer Schäferei Bescheid. Und als sie sich später mit Moscherosch und Lauremberg in die Kleine Wirtsstube setzte – denn beide wollten nicht ins Bett, sondern bei Braunbier, Käse und Brot in den Morgen hineinwachen –, wußte sie in raffenden Sätzen den Inhalt einiger Traumgesichte aus Moscheroschs Philander herzusagen. So belesen und geschaffen für das Treffen der Poeten war die Wirtin Libuschka oder Courage, wie Gelnhausen sie nannte, der sich später, gefeiert als Quartiermacher, zu ihnen
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