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Das Ungeheuer von Florenz

Das Ungeheuer von Florenz

Titel: Das Ungeheuer von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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die kunstvolle Schmiedearbeit des Lifts betrachtete. Er rechnete damit, daß das Gespräch nicht hier draußen stattfinden würde. Ein Mann, der es nicht duldete, von der Straße aus gesehen zu werden, gestattete seinen Nachbarn wohl kaum, etwas von seinen Angelegenheiten zu erfahren. »Hier entlang, bitte.«
    Eine schmale Tür in einem zurückgesetzten Alkoven. Diesmal gar keine Aufschrift an der Klingel.
    Als er eingetreten war, mußte der Maresciallo seine ganze Willenskraft aufbieten, um nicht mit großen Augen um sich zu starren. Es war ein einziger Raum, ebenso groß wie die geräumigen und eleganten Wohnungen darüber… Irgendeine massive Skulptur in der Mitte, in Plastik eingehüllt… Und die Safes! Wer brauchte denn, abgesehen von einer Bank, zwei Safes von dieser Größe?
    Er schaute sich nicht um. Er nahm mit seinen großen, leicht vorstehenden Augen auf, was er konnte, ohne den Kopf auch nur einen Zentimeter zu bewegen, während sein Blick fest auf Benozzetti geheftet war und er sein Anliegen umständlich zur Sprache brachte.
    Die Erklärung klang wohl wenig überzeugend, denn der Maresciallo war kein guter Redner. Als er damit zu Ende gekommen war, entstand eine kurze Pause. Irgend etwas an dem Blick, mit dem Benozzetti ihn bedachte, war schuld daran, daß der Schweiß auf seinem Körper ihn frösteln machte, aber der Maresciallo hätte nicht genau angeben können, was es war, vielleicht die Augen selbst, die hart und kalt wie Diamanten waren. Dieser Mann war zweifellos gefährlich.
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Doch, doch, ich war nur überhitzt, und dann…«
    »Setzen Sie sich. Ich kann Ihnen nichts anderes anbieten als diesen harten Stuhl. Der Raum ist kalt, weil ich mit Ton arbeite. Der darf nicht zu schnell austrocknen. Ich selbst spüre die Kälte schon fast gar nicht mehr.«
    Das glaubte der Maresciallo gern.
    »Wenn Sie mich für einen Augenblick entschuldigen wollen, hole ich mir einen Stuhl. Wie Sie sehen, lege ich auf Bequemlichkeit keinen großen Wert.«
    Er machte eine vage Handbewegung. »Das ist mein Leben…«
    Er wandte sich ab und ging zum anderen Ende des Ateliers, angeblich, um einen zweiten Stuhl zu suchen. Als er davonging, sah man für einen Moment, daß der obere Teil seines linken Ohrs fehlte. Der Maresciallo nutzte den Augenblick und blickte sich um. Vor der gegenüberliegenden Wand stand ein großes, ordentlich gemachtes Bett halb verdeckt hinter einem Wandschirm. Weiter: eine Kommode mit einer Marmorplatte und eine Lampe… In den hohen Schränken, die den Rest der Wand einnahmen, mochten sich Kleider befinden, andere Anzeichen häuslichen Lebens gab es in dem Raum nicht. Eine andere Wand war vollkommen mit Regalen verbaut, mit Werkzeug, Arbeitsplatten… Und das dort war zweifellos ein Kocher… Benozzetti stand wieder vor ihm. Der Maresciallo machte erst gar nicht den Versuch, ihn täuschen zu wollen.
    »Bitte entschuldigen Sie, daß ich mich ein bißchen umgesehen habe. Künstler begegnen mir auf meinem Lebensweg nicht allzu häufig.«
    »Sie begegnen keinen« – Benozzetti zog die Falten seiner Hose glatt und setzte sich so, daß sein verstümmeltes Ohr nicht zu sehen war –, »weil es keine gibt.«
    »Aber Sie sind… Ich sehe doch, daß Sie sich ganz und gar Ihrer Arbeit verschrieben haben.«
    »Das habe ich. Einen Künstler nenne ich mich aber deshalb nicht, weil die gegenwärtige Kommerzialisierung sogenannter Kunst von denen lebt, die in Hochglanzmagazinen Reklame für sich selbst machen und denen es nicht um die Kunst geht, sondern um unmittelbare Berühmtheit und schicke Partys, und die dafür auch die Kritiker umschmeicheln. Gott steh uns bei, die Kritiker.«
    »Ja, gut, bestimmt haben Sie recht, ich verstehe davon natürlich nicht allzuviel – nun, Landini…«
    »Ha! Sie verstehen nicht viel davon, aber Sie sind ein Freund des kürzlich verstorbenen Landini! Haben Sie das nicht gesagt? Ein Freund der Familie?«
    »Nun ja, eher ein Freund des Sohnes, wissen Sie, um genau zu sein. Ich fürchte, ich habe Sie in Verlegenheit gebracht.«
    »Mich in Verlegenheit gebracht? Wie denn das?« Benozzetti schien diese Vorstellung sehr amüsant zu finden.
    »Indem ich, nun ja, annahm, Sie seien sein Freund, wissen Sie – er hat sich in der Frage, wem er etwas vermachen will, nicht allzu deutlich ausgedrückt, so daß wir ziemlich im dunkeln tappen, alle Menschen ansprechen, die dafür in Frage kommen, aber wenn Sie mit den Kritikern nicht auskommen, war Ihre

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