Das Ungeheuer von Florenz
Sie müssen an einem ruhigeren Tag wirklich noch einmal kommen und sich die Ausstellung ansehen. Ich lasse Ihnen Freikarten schicken.«
»Nein, das ist nicht nötig, wir kommen sowieso.«
»Ich bestehe darauf. Ein Bild eines Ihrer Freunde ist auch dabei, wissen Sie.«
»Eines Freundes?«
»Ein Antonio Franchi! Ein Porträt des Ferdinando de' Medici, aus den Uffizien. Ein echtes, glaube ich jedenfalls.«
»Aha, das sollte ich mir ansehen.«
Dem Maresciallo fiel ein, daß Biondini zu den wenigen gehörte, die Benozzetti als echte, wißbegierige Kunstfreunde bezeichnet hatte. »Was halten Sie davon? Sie haben die beiden Fotos ja gesehen.«
»Ich konnte keinen Fehler daran erkennen. Das dritte Bild werden wir allerdings niemals zu sehen bekommen.«
Die Geschichte mit der dritten Version in einem amerikanischen Museum war, allerdings ohne Hinweis auf ihren Ursprung, in die Zeitungen gekommen. Das Museum verweigerte noch immer jegliche Stellungnahme, geschweige denn die Übersendung einer Fotografie zu Vergleichszwecken.
»Glauben Sie nicht«, sagte der Maresciallo, »daß das Museum versuchen wird, das Bild auf seine Echtheit hin zu prüfen, wenn sich der Rummel gelegt hat?«
So gut er konnte, gab er Benozzettis Mutmaßungen über den weiteren Verlauf der Dinge wieder.
»Da hat er ganz recht«, erwiderte Biondini lachend. »Denken Sie doch nur mal an das Geld, das das Museum dafür ausgegeben hat. Und das bekommt es ja nicht zurück. Und wie würden denn dann die Amerikaner dastehen. Das Museum würde sein Ansehen verlieren. Nein, wenn ein Bild einmal so weit gekommen ist, dann muß es auch echt bleiben. Die Galerien dieser Welt sind voll von Corots und De Chiricos, und die Kirchen sind so voll von Teilen des echten Kreuzes, daß es einen regelrechten Wald ergibt. Ihr Freund Benozzetti war klüger als die meisten. Er hat sich viel schwierigere Künstler vorgenommen und mit weit größerem Erfolg.«
»Was ist mit Tizian?«
»Das wäre in der Tat noch viel schwieriger, zumindest sein Spätwerk. Fotografischer Stil läßt sich leichter fälschen, und der ganz moderne ebenfalls. Tizians Spätwerk läßt sich meiner Meinung nach nicht nachahmen.«
»Deshalb hat sich Benozzetti vermutlich zur Ruhe gesetzt«, erwiderte der Maresciallo. »Denn das wollte er schon, als ich ihn kennenlernte, aber es gelang ihm nicht. Landini war unverzichtbar für ihn. Ja, ich bin froh, daß ich mir keine Bilder kaufen kann. Wer so schlau ist wie Benozzetti, würde mich sicher auch zum Narren halten.«
»Nein, denn Sie würden sich ein Bild kaufen, bei dessen Betrachtung Sie sich freuen, und sich Ihre Freude auch nicht nehmen lassen, wenn plötzlich jemand käme und Ihnen sagte, nicht Künstler A, sondern Künstler B habe es gemalt. Gefährlich ist es nur für Leute, die Bilder als Geldanlage erwerben. Sie und ich brauchen uns keine Sorgen zu machen. Und Sie können sicher sein, es werden keine Zweifel mehr laut an den drei Franchis, den Porträts von Anna Caterina Luise dei Gherardini. Denken Sie an die Auktionshäuser, die Museumskäufer, an den, der für die Zuschreibung verantwortlich ist. Niemand wird sich mehr zu Wort melden, es steht einfach zuviel auf dem Spiel.«
Der Maresciallo trank einen Schluck von seinem Wein, runzelte die Stirn und sagte: »Für Marco ist es so sicher am besten, denn ohne sein Wissen hat man ihn zum Komplizen gemacht.«
»Sehen Sie? Niemand will die Wahrheit hören, deshalb hätte Benozzetti sie auch ruhig für sich behalten können. Für einen kurzen Moment hatte er zwar Ruhm und persönliche Befriedigung, Anerkennung wird er aber nicht finden. Der Antonio Franchi in meiner Ausstellung ist echt, das verspreche ich Ihnen, also kommen Sie ihn sich ansehen. Ich gehe doch davon aus, daß Ihr Leben jetzt wieder in etwas ruhigeren Bahnen verläuft, nachdem Sie das berühmte Monster gefaßt haben.«
»Ja, nur kann ich nicht… Ach so, Sie meinen die Verhaftung des Verdächtigen…«
»Hab ich nicht im Fernsehen was darüber gesehen?«
»Ja, natürlich… entschuldigen Sie, ich war in Gedanken.«
»Nach der vielen Aufregung und der Publicity wollen Sie mir doch nicht etwa erzählen, daß er auch eine Fälschung ist?«
»Es gibt keine Fälschungen. Haben Sie mir das nicht gesagt? Damals habe ich das nicht verstanden. Benozzetti hat es genauso ausgedrückt.«
»Wie üblich halten Sie mir zuviel zugute, Maresciallo. ›Es gibt keine Fälschungen. Es gibt nur falsche Zuschreibungen.‹ Das hat ein
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