Das Verdammte Glueck
Das verdammte Glück
Andreas Kurz
Kurzgeschichtensammlung
1. Auflage März 2009
Titelbild von Timo Denz, www.timodenz.com
Modell: Cornelia Fano, Make-Up: Laura Bertoldi
Umschlaggestaltung: Ubooks
©opyright by Andreas Kurz 2006
ISBN: 9783866085688
Alle Rechte vorbehalten.
Ein Nachdruck oder eine andere
Verwertung ist nur mit schriftlicher
Genehmigung des Verlags gestattet.
Ubooks-Verlag
Dieselstr. 1
86420 Diedorf
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Ich, ein anderer
Sie sagten, es hätte einen Irrtum gegeben, schon vor langer Zeit, und das Ganze sei auch recht peinlich. Doch jetzt sei man entschlossen, alle Fehler zu korrigieren; ein Beschluss der neuen Regierung, die dem Bürger ja viel mehr verpflichtet sei als die alte. Meine Identität sei falsch, eine Verwechslung gleich nach der Geburt, ein Softwareproblem oder so, der Verantwortliche sei bereits zur Rechenschaft gezogen und in den vorzeitigen Ruhestand geschickt worden. Auf jeden Fall müsste hier, an meiner Stelle, eigentlich ein ganz anderer leben, der sei auch schon mitgekommen und warte unten vor dem Haus im Wagen. Ich glotzte den Beamten an, und der lächelte bemüht, ich solle mich bloß nicht aufregen, dazu gebe es überhaupt keinen Grund. Ich verstand nicht, aber der Typ, der die Treppe herauf- und auf mich zukam, lächelte freundlich und streckte mir gleich die Hand hin.
«Das ist nun der echte», sagte der Beamte und prüfte noch einmal das Schild an der Tür. Er beugte sich dabei vor, wohl weil es ihm unangenehm war.
«Hallo», sagte der Typ, und wir schüttelten uns flüchtig die Hand.
«Der echte?», fragte ich.
«Ja, ja», sagte der Beamte. «Er hat bisher als Lothar Gubinsky in Essen gewohnt und auch nicht geahnt, dass er eigentlich Sie ist, während Sie ja ein anderer sind.»
«Ich, ein anderer?»
«Das Softwareproblem, verstehen Sie?»
Ich lachte. Die Ahnung, dass ich eigentlich ein anderer war, hatte ich schon oft gehabt.
«Wie wohnst du denn so?», fragte der Typ und versuchte über meine Schulter hinweg in die Wohnung zu spähen. «Bei mir war’s nicht so großzügig.»
Mir schien, er freute sich richtig auf meine Bude, und ich neigte mich zur Seite, um ihm den Blick zu versperren.
«Alle diese Fälle werden nun rasch abgearbeitet», sagte der Beamte und lächelte bürgernah.
«Das ist toll», sagte ich.
«Darf ich?», fragte der Typ, der jetzt ich sein sollte, aber er fragte den Beamten, nicht mich, und der Beamte sagte: «Nur zu, ist ja jetzt Ihr Leben.»
Der Typ schob mich zur Seite und strebte schnurstracks ins Wohnzimmer, wo noch der Fernseher lief und meine Frau Irmchen auf der Couch schlief.
«Moment mal!», rief ich, aber der Beamte hielt mich am Arm fest.
«Kommen Sie», sagte er devot. «Kommen Sie.»
Ich wollte mir Schuhe anziehen und die Jacke nehmen, aber das erlaubte er nicht. Das sei ja jetzt alles nicht mehr meins, sagte er und reichte mir einen billigen weißen Overall mit dem Emblem seiner Behörde darauf: zwei Männchen mit zwei entgegengesetzten Pfeilen dazwischen. Ich musste mich umziehen, komplett, auch die Unterhose. Bei einem Identitätswechsel sei das unabdingbar, erklärte der Beamte. Ich wollte mich von Irmchen verabschieden, aber auch das war verboten. Der Identitätswechsel solle so behutsam und zurückhaltend wie möglich vollzogen werden, das sei die Vorschrift und schließlich ganz im Sinne des Bürgers. Der Lebenspartner soll es möglichst nicht als Bruch empfinden. Ich sagte: „Sie schläft“, und der Beamte meinte, das sei sehr gut. Sie wird aufwachen und der Wechsel bereits vollständig abgeschlossen sein. Es habe sich im Grunde nicht wirklich etwas verändert.
«Außer ich halt», sagte ich, und er nickte.
«Natürlich. Aber die Partner sind nur selten ein Problem.» Der Beamte lächelte wissend.
Der Overall kratzte und zwickte zwischen den Beinen, als wir die Treppe nach unten gingen. Die weißen Gummischuhe waren zu eng, und sie quietschten auf dem Parkett bei jedem Treppenabsatz. Auf der Straße stand ein Kleinbus, da saßen schon andere drin.
«Tagchen!», sagte ich, aber die Gesichter blickten nur trübsinnig ins Leere. Alle trugen diese billigen Overalls und Plastikschuhe. Los ging’s die Straße runter und auf die Autobahn. Keiner sagte etwas. Da beugte ich mich über den Sitz nach vorn zu dem Beamten und fragte: «Sind das hier alles eure Irrtümer?»
«Leider Gottes, da hat sich viel angesammelt. Wenn man irgendwo
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