Das Verdammte Glueck
schläfrig wie ein Lotteriegewinner im Moment der Ziehung. Er folgte mir ins Wohnzimmer, als ich keine Lust mehr hatte, und forderte energisch die Fernbedienung. Bei Oma, sagte er, dürfte er auch immer fernsehen bis in die Puppen. Nur das Schnarchen der Alten würde nerven.
Auf dem Mittleren Ring war der Verkehr weniger geworden, die Autos rollten zwar langsam, aber gleichmäßig dahin. Irene lächelte mich an, und ich lächelte zurück. Um zehn schlief der Junge auf der Couch vor dem Fernseher, in dem gerade eine lebhafte Diskussion über die Mehrwertsteuererhöhung geführt wurde.
Da zogen wir es durch, schließlich waren wir erwachsen. Halb im Stehen auf dem alten Holztisch hinter den gestapelten Getränkekisten auf dem Balkon. Wir zogen nichts aus und vermieden jedes Geräusch. Es war vor allem der Beweis, dass wir ihn überlisten konnten, wenn wir es wirklich wollten. Wie kurz der sexuelle Akt sein kann, überrascht mich stets aufs Neue.
Ich ging dann bald. Auch für sie war es ein langer Tag gewesen.
Wir telefonierten noch ein- oder zweimal, dann schlief der Kontakt ein. War aber ein netter Abend, durchaus. Irgendwie ...
Mann im Angebot
Inge kam und sagte, sie wolle in die Stadt, einen neuen Mann kaufen, ich würde mich doch auskennen, schließlich sei ich ja auch ein Mann. So ging ich eben mit.
Auf dem Weg in die Stadt meinte sie, ihr voriger Mann, der taugte nichts. Meine Herren, ob ich mir das überhaupt vorstellen könne – also, den konnte man nur entsorgen. In den Container zu den ollen Männern, die recycelt wurden, ganz umweltverträglich, auf irgendeiner Insel. Sie wusste es auch nicht genau, hatte es mal in einer Fernsehzeitschrift gelesen, war ja auch egal.
Wir rauschten also in die Stadt, überall Leuchtreklamen und Geschäfte, für alles und jedes, also auch für Männer. Das war mir neu.
Inge voraus: «Guten Tag! Ich brauche einen neuen Mann. Was haben Sie denn so im Angebot?»
Die Verkäuferin lächelte: «Nun, neue Männer sind begehrt, die alten sind schnell verschlissen, der Illusionstank ist leer.» Sie zeigte ihr Männer, große und kleine, nette, blöde, welche, mit denen man Pferde stehlen konnte, und welche, mit denen man eine Bank überfiel. Sie zeigte ihr tolle Hengste und müde Bären, aber alle nicht billig, für Inge zu teuer. Sie sagte, für einen Luxusmann reicht es vorne und hinten nicht, obwohl sie was auf den Hüften und in der Bluse hatte, wie ich fand, aber mich fragte da keiner.
Die Verkäuferin kramte einen Durchschnittstyp hervor und bot an, mich in Zahlung zu nehmen. Ich rief: «He!», aber da hatte Inge auch schon eingewilligt, packte ihren neuen Kerl, eilte davon, drehte sich nicht mal mehr um, hatte nur noch Augen für ihn. Ich wollte ihr nach, aber man hielt mich fest, steckte mich in ein Regal zu den Sonderangeboten.
Und da hocke ich nun. Wär schön, wenn mich auch mal eine mitnehmen würde, aber die gehen alle vorbei, suchen nach tollen Typen und nicht nach den Restposten. Hätt' ich mich mal besser angestrengt in der Schule und beim Sport, Punkte gesammelt für den Wettbewerb, der ja knallhart ist, schon wegen der Globalisierung! Inge freut sich über ihren neuen Fuzzi, turnt über die Matratzen, und ich hab ein rotes Preisschild auf der Stirn.
Bald mache ich es wie alle anderen. Ich lehne mich aus dem Regal, zwinkere den flotten Girls hinterher, mach ihnen schöne Augen und hoffe, dass der Funke überspringt wie bei den Zündkerzen im Motor.
Kurz vor Feierabend nimmt mich eine kräftige Dicke mit, die hat Oberarme wie andere Frauen Schenkel, und stopft mich in ihren Kombi. Da hocken noch ein Dutzend andere Männer, allesamt Sonderangebote so wie ich, mit einem roten Schild auf der Stirn. Die muss wohl noch Rabatt rausgeschlagen haben.
Abends müssen wir der Dicken erst das Haus putzen und danach, oh, ich kann euch sagen. Am nächsten Morgen sind ein paar von uns übers Dach getürmt, ich auch. Jetzt sucht uns die Polizei, aber es sind so viele Sonderangebote auf der Flucht, da hat man gute Chancen.
Das verdammte Glück
Plötzlich war der totale Auflauf in unserer Straße. Mein Fenster zitterte, als würden wieder die Kieslaster vorbeidonnern, doch es waren nicht die Kieslaster, es war etwas anderes. Ich hatte keine Ahnung, und das machte mich hippelig. Also Jacke an, Radio aus, Treppe runter und hinaus zu den anderen. Die ganze Straße war voller Menschen, selbst Oma Meier schob ihren Gehwagen den anderen über die Zehen und krähte,
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