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Das Verlies der Stuerme

Das Verlies der Stuerme

Titel: Das Verlies der Stuerme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Ben wollte sie küssen, doch zugleich wollte er sie nicht wecken, also ließ er es sein.
    Leise schlüpfte er unter der Decke hervor und erhob sich. Anula brummte irgendetwas, schlief aber weiter, und Ben schlenderte zu Aiphyron ans Meer hinüber.
    Der Drache maß an die fünfzehn Schritt, und seine blauen Schuppen wirkten im Licht des Halbmonds viel dunkler als am Tag, kaum heller als der nächtliche Himmel, nur dass die Gestirne fehlten. All die feinen, an Granit erinnernden Konturen wurden von der Dunkelheit geschluckt. Als Ben
noch zwei Schritte entfernt war, schlug Aiphyron die leuchtend blauen Augen auf.
    »Kannst du auch nicht schlafen?«, fragte Ben.
    »Ich hab tagsüber zu viel gedöst, außerdem schlafe ich doch nie tief. Aber was hält dich wach?«
    »Ich weiß es nicht.« Ben strich dem Drachen freundschaftlich über die Schnauze und setzte sich vor ihm in den Sand. »Glaubst du wirklich, wir können den Weg der Wellen zurückverfolgen und den Ort finden, von dem die Flasche gekommen ist?«
    »Ich kann es dir nicht versprechen, wir können es nur versuchen. Ist dir das so wichtig?«
    »Seltsam, nicht wahr?« Mit der Rechten grub Ben eine Muschel aus dem Sand und schleuderte sie wie einen flachen Stein aufs Meer hinaus. Sie sprang nicht ein einziges Mal auf, sondern tauchte sofort mit einem Platschen ins Wasser und versank. »Glaubst du an Schicksal?«
    »An Schicksal?«
    »Ja. Schicksal, Vorsehung, was auch immer. Glaubt ihr Drachen daran? Wir Menschen tun es eigentlich, aber wir sollen auch glauben, dass man Drachen die Flügel abschlagen muss, um sie von einem Fluch zu befreien, und das ist Unsinn, und darum weiß ich jetzt gar nicht mehr, was ich glauben soll. Ist es ein Wink des Schicksals, dass wir diese Flaschenpost gefunden haben, oder nur ein dämlicher Zufall? Hätte sie auch jeder andere finden können, der rein zufällig hier entlanggeschlendert wäre, oder war sie für uns bestimmt? Sind wir dazu ausersehen, diesen Schiffbrüchigen zu suchen, auch wenn wir seine Nachricht gar nicht lesen können?«
    »Macht das denn einen Unterschied?«

    »Ja. Natürlich.« Ben krallte die Hand wieder in den Boden, fand jedoch nur kühlen, feuchten Sand. Mit Schwung schleuderte er ihn weit hinaus ins Meer. »Ich weiß es nicht. Darum frage ich dich ja.«
    »Ich glaube, einem Schiffbrüchigen ist es vollkommen egal, ob er zufällig gerettet wird oder von einem, der es für sein Schicksal hält. Hauptsache, er wird gerettet. Es spielt keine Rolle, ob du die Botschaft durch Zufall oder schicksalhafte Absicht erhalten hast. Es geht nur darum, was du mit dem neuen Wissen machst.«
    »Welches Wissen denn?«, brummte Ben. »Neues Wissen hätte ich, wenn ich die rattenbolligen Buchstaben lesen könnte. Aber das kann ja keiner. Dabei dachte ich, du sprichst alle Sprachen.«
    »Aber ich lese keine einzige. Und das mit dem Sprechen ist so auch nicht …«
    »Ja, schon gut. Ich wollte ja nur wissen, ob das Schicksal hier eine Aufgabe für mich hat.«
    Schweigend sah Aiphyron ihn an, dann sagte er: »Hast du eigentlich in Trollfurt alles getan, was deine Mutter von dir verlangt hat?«
    »Was? Wieso …?« Was kümmerte ihn jetzt seine Mutter? Warum konnte Aiphyron einfach nicht beim Thema bleiben? »Nein, natürlich nicht.«
    »Und hast du stets das gemacht, was der Priester verlangt hat?«
    »Nein, aber …«
    »Und das, was all die Jungen erwartet haben, die dich immer wieder durch die Straßen gejagt haben?«
    »Nein! Was denkst du denn, weshalb sie mich gejagt haben? «

    »Gut.« Der Drache lächelte. »Wenn es also wirklich so etwas wie Schicksal, Vorhersehung und Prophezeiungen geben sollte, warum solltest du denn dann tun, was sie von dir erwarten, wenn du es bei sonst niemandem tust?«
    »Weil … weil …« Ben schüttelte den Kopf. Das konnte man doch nicht vergleichen! Das war etwas ganz anderes, das war … Zögerlich zuckte er mit den Schultern und begann unsicher zu grinsen. »Weil das Schicksal viel … nun ja, viel mächtiger ist?«
    »Aha.« Aiphyron verzog den lippenlosen Mund. »Du willst dich also einfach nur den Mächtigen beugen?«
    »Nein! Verdammt, nein!« Warum verdrehte ihm der Drache einfach die Worte im Mund? Er hatte sich doch auch nicht vor dem mächtigen Orden der Drachenritter gebeugt, der dämliche Schuppenkopf wusste das doch! Das war einfach etwas anderes, das war … Aber Ben konnte nicht richtig fassen, wo der Unterschied lag, und brachte kein Wort heraus.
    »Dachte ich mir. Dann

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