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Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl

Titel: Das verlorene Regiment 01 - Der letzte Befehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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können. Es gefällt mir verdammt schlecht, dass mein Schiff als Letztes fährt. Und vergessen Sie eins nicht, Colonel – an Bord meines Schiffs unterstehen Sie und Ihre Männer meinem Befehl!«
    Ohne auf Antwort zu warten, wandte sich der Kapitän ab und stürmte zum Pier, und er schrie dabei jedem Verwünschungen zu, der ihm in die Quere kam.
    »Na, ich will verdammt sein!«, knurrte Hans leise.
    »Hoffentlich nicht.« Und während er vom Pferd stieg, wies Andrew Hans an, die Männer an Bord zu führen.
    »Na, ich will verdammt sein …« Der Gedanke fuhr flüsternd durch ihn hindurch. Seit Gettysburg hing er als vage Vorahnung über ihm.
    Drei Albtraummonate hatte er im Krankenhaus gelegen; man amputierte ihm den zertrümmerten Arm, und ihn plagten Fieberträume, denen zufolge das Schicksal jetzt mit ihm spielte und mit einer Strömung davontrug, gegen die er nicht anschwimmen konnte. Die Nächte waren voll mit den Schreien der Sterbenden, mit den gehetzten Blicken von Jungen, die zu viel gesehen hatten, und den stummen Gesichtern der Toten, die ihn aus den Schatten eines fernen Landes heraus betrachteten. Am schlimmsten war jedoch jener Traum, der ihn bis heute aus dem Schlaf riss und nach dem er in schweißnassen Laken schreiend um sich schlug.
    In den drei Monaten genas er, zumindest äußerlich. Ungeachtet der furchtsamen Vorahnung beschleunigte sich sein Puls bei dem Gedanken, in den Irrsinn zurückzukehren. Mit seiner Verwundung und der Ehrenmedaille des Kongresses, die ihm Lincoln ans Kissen heftete, hätte er sich ehrenvoll in den Ruhestand versetzen lassen und nach Maine zurückkehren können. Stattdessen trieb es ihn eilig an die Front zurück, als ginge es in die Arme einer Geliebten.
    Er liebte die Raserei und das Gepränge, die Energie, die ihm der Krieg in die Adern pumpte, während er ihn zugleich umzubringen versuchte. Wenn der Donner in der Ferne rollte und das Popcorn-Knattern der Musketen von der Straße heraufdrang, schlug sein Herz wie wild und erfüllte ihn ein weiteres Mal eine unbändige, alles verzehrende Freude. Irgendwie trug ihn diese Freude fort und schenkte ihm Vergessen, sodass er nicht mehr an sein früheres Leben und die Frau denken musste, die seine Seele verletzt hatte.
    Wie hätte er in die Stille des Bowdoin Colleges zurückkehren können, nachdem er von dem blutgefüllten Kelch gekostet hatte?
    Und so trat er aufs Neue den Befehl über das 35. an. Es war jetzt ein verwüstetes Regiment, aber ein Regiment von Männern, die ein perverser Stolz auf das Gemetzel erfüllte, in das Andrew sie geführt hatte.
    Es war ein Regiment, das er nun in die Schlacht in den Wäldern des nordöstlichen Virginias führte und schließlich in die Gräben vor Petersburg. Und während all dieser Zeit flüsterte ihm die Albtraumstimme zu, dass sie alle verdammt wären. Dass die Kämpfe andauern würden, bis sie letztlich alle tot waren. In den Tod geführt von seinen gebrüllten Befehlen, bis er allein übrig war, den bluttriefenden Säbel in der Hand.
    Und, Gott helfe ihm, irgendwie liebte er es so! Denn hier fühlte er sich wirklich lebendig, eine dünne Gestalt mit Brille, eine gebrechliche halbe Portion von einem Mann mit beinahe zerstörtem Körper.
    Durch die vom Regen gepeitschten Schatten vor ihm schritten seine Jungs nacheinander an Bord des Schiffes, Jungs von achtzehn und zwanzig Jahren mit den Augen alter Männer; sie bestiegen ein Schiff, das sie zu einem weiteren Schlachtfeld irgendwo weiter unten an der Küste von North Carolina bringen sollte. Zu einem noch namenlosen Schlachtfeld, wo Andrew gezwungen sein würde, weitere Jungs wie John in den Hochofen zu stecken. Jungs, die er lieben gelernt hatte. Sie und ihre dunklen, lächelnden Gesichter, die sich fortlaufend änderten und durch neue ersetzt wurden und doch stets dieselben blieben, die zu ihm und nur ihm allein aufblickten, denn er war schließlich der Held von Gettysburg.
    Er lenkte das Pferd an die Straßenseite, saß dort schweigend und verfolgte mit, wie seine Männer vorbeimarschierten und das Schiff bestiegen, das sie zu der Bestimmung tragen sollte, welche auch immer die Schicksalsgötter für sie ausgewählt hatten.
    »Heh, Hawthorne, da ist das Schiff!«
    Vincent Hawthorne blickte vom Rücken des Mannes vor ihm auf und erblickte die Schatten seines Kommandeurs und das Schiff, das sie erwartete.
    »Ich frage mich, wie viele von uns der verdammte Keane diesmal umbringt.«
    »Komm schon, Hinsen, er ist gar nicht so

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