Das Verlorene Symbol
Aberglauben abgetan. Nun aber muss sie eingestehen, dass die nächste große Grenze, der wir uns gegenübersehen, im wörtlichen Sinne die Wissenschaft des Glaubens ist. Dieselbe Wissenschaft, die unseren Glauben einst untergraben und in den Bereich des Wundersamen abgeschoben hat, baut nun eine Brücke über den Graben, den sie selbst ausgehoben hat.«
Langdon dachte lange über Katherines Worte nach, ehe er den Blick wieder zur Apotheose hob. »Ich habe eine Frage an dich, Katherine«, sagte er dabei. »Selbst wenn ich akzeptieren könnte, dass ich über die Macht verfüge, mithilfe meines Geistes Materie zu verändern und im wörtlichen Sinne all das zu erschaffen, was ich will, kann ich es trotzdem nicht glauben. Denn ich habe noch nie etwas gesehen, das mich an eine solche Macht glauben ließe.«
»Dann hast du nicht genau genug hingeschaut.«
»Komm schon, Katherine. Ich will eine richtige Antwort. Das ist die Antwort eines Priesters. Ich will die einer Wissenschaftlerin.«
»Du willst eine richtige Antwort? Also gut. Wenn ich dir eine Geige gebe und dir sage, du hättest die Fähigkeit, auf diesem Instrument wunderschöne Klänge hervorzubringen, dann lüge ich nicht. Du hast das Potenzial, nur braucht es sehr viel Übung, bis man so weit kommt. Wenn es nun darum geht, statt eines Instruments den eigenen Geist zu benutzen, ist es nicht anders. Gezielte Gedanken sind eine erlernte Fähigkeit. Damit eine Absicht sich manifestiert, braucht es eine Fokussierung – eine Bündelung, vergleichbar mit einem Laser –, eine bildliche Vorstellung und einen festen Glauben. Das haben wir im Labor bereits bewiesen. Und genau wie beim Geigenspiel gibt es Menschen, die mehr oder weniger Talent dafür haben. Sieh dir die Geschichte der Menschheit an. Wirf einen Blick auf die Geschichte jener Erleuchteten, die Wundertaten vollbracht haben.«
»Jetzt sag mir bitte nicht, dass du an Wunder glaubst, Katherine. Überleg doch mal ernsthaft. Wasser in Wein verwandeln? Heilen durch Handauflegen? Na, hör mal.«
Katherine atmete tief ein und wieder aus. »Ich habe gesehen, wie Menschen von Krebs befallene Zellen in gesunde verwandelt haben, nur indem sie daran gedacht haben. Ich habe gesehen, wie der menschliche Geist die physische Welt auf unterschiedlichste Art beeinflusst. Und wenn du das erst einmal gesehen hast, Robert, wenn es Teil deiner Realität geworden ist, sind einige der Wunder, von denen du gelesen hast, nur noch eine Frage des Wollens.«
Langdon erwiderte nachdenklich: »Für mich ist dieser Sprung zu groß. Wie du weißt, habe ich mich mit Glauben schon immer schwergetan.«
»Dann betrachte es nicht als Glauben«, entgegnete Katherine. »Betrachte es als einen anderen Blickwinkel. Denk dir, dass die Welt nicht so ist, wie sie dir erscheint. Historisch gesehen ging jedem großen wissenschaftlichen Durchbruch eine einfache Idee voraus, die unser Glaubensgebäude zum Einsturz zu bringen drohte. Die Aussage, dass die Erde eine Kugel ist, wurde nicht nur als Ketzerei, sondern auch als wissenschaftlich unmöglich betrachtet, als völlig absurd, weil die meisten Menschen glaubten, die Meere würden sich in diesem Fall von der Erde herunter ins Nichts ergießen. Dass die Erde sich um die Sonne dreht, galt als Häresie. Schon immer haben kleine Geister auf das eingeprügelt, was sie nicht begreifen. Es gibt jene, die erbauen, und jene, die einreißen. Irgendwann finden die Erbauer Jünger, und wenn die Zahl der Jünger – der Gläubigen – eine kritische Masse erreicht, dann ist die Welt mit einem Mal rund, und die Sonne ist das Zentrum unseres Planetensystems. Die Wahrnehmung hat sich geändert, und eine neue Realität ist entstanden.«
Langdon nickte. Seine Gedanken schweiften in die Ferne.
»Was guckst du so komisch?«, fragte Katherine lachend.
»Aus irgendeinem Grund«, antwortete Langdon, »musste ich gerade daran denken, wie ich früher mitten in der Nacht mit dem Kanu auf dem See gepaddelt bin, zum Sternenhimmel aufblickte und über Dinge wie diese nachgedacht habe.«
Katherine nickte wissend. »Ich nehme an, wir alle haben ähnliche Erinnerungen. Zum Himmel zu blicken, öffnet und weitet das Bewusstsein.« Sie richtete den Blick hinauf zur Kuppel. »Gib mir bitte deine Jacke, Robert.«
Langdon runzelte die Stirn, tat ihr aber den Gefallen.
Katherine faltete die Jacke zweimal und legte sie wie ein Kissen auf dem Boden. »Leg dich hin.«
Langdon legte sich auf den Rücken, und Katherine schob ihm
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