Das Vermaechtnis der Drachenreiter
Mittag des dritten Tages, seit er nach Hause aufgebrochen war, hörte er die rauschenden Wassermassen der Igualda-Fälle, die schon aus der Ferne jedes andere Geräusch übertönten. Der Pfad führte ihn auf einen nassen Felsvorsprung, an dem der Fluss vorbeirauschte, ehe er über moosbewachsene Klippen in die Tiefe stürzte.
Das Palancar-Tal lag vor ihm wie eine aufgerollte Landkarte. Der Fuß der Igualda-Fälle, mehr als eine halbe Meile weiter unten, war der nördlichste Punkt des Tales. Ein Stück vom Wasserfall entfernt, lag Carvahall, eine Ansammlung brauner Gebäude. Aus den Schornsteinen stieg weißer Rauch auf, wie zum Trotz gegen die allgegenwärtige Wildnis, die das Dorf umgab. Aus dieser Höhe waren die Bauernhöfe kleine rechteckige Flecken, nicht größer als seine Fingerkuppe. Das Land, auf dem sie standen, war sandbraun, mit totem, sich im Wind wiegenden Gras. Vom Wasserfall aus schlängelte sich der Anora zum südlichen Ende des Tales, dabei glitzerten breite Streifen goldenen Sonnenlichts auf seiner Oberfläche. In der Ferne floss er an dem Dorf Therinsford und dem abgelegenen Berg Utgard vorbei. Das Einzige, was Eragon außerdem wusste, war, dass er dahinter nach Norden abbog und ins große Meer mündete.
Nach einer kurzen Rast trat Eragon vom Felsvorsprung herab, schnitt eine Grimasse angesichts des steilen Wegs, der vor ihm lag, und machte sich dann an den Abstieg. Als er unten ankam, kroch bereits die Abenddämmerung heran und ließ Farben und Formen zu grauen Flächen verschwimmen. Nicht weit entfernt schimmerten Carvahalls Lichter in der zunehmenden Dunkelheit. Die Häuser warfen lange Schatten. Außer Therinsford war Carvahall das einzige Dorf im Palancar-Tal. Die Siedlung lag abgeschieden inmitten einer rauen, wunderschönen Landschaft. Bis auf fahrende Händler und Fallensteller fanden nur wenige Reisende den Weg hierher.
Das Dorf bestand aus gedrungenen Holzhäusern mit niedrigen Dächern - einige waren strohgedeckt, andere hatten Dachschindeln. Der aus den Schornsteinen aufsteigende Rauch erfüllte die Luft mit dem würzigen Duft brennender Holzscheite. Die Gebäude besaßen breite Veranden, auf denen die Menschen zusammenkamen, um zu reden und Geschäfte abzuschließen. Gelegentlich erstrahlte ein Fenster, wenn dahinter eine Kerze oder Lampe angezündet wurde. In der kühlen Abendluft hörte Eragon laut-starke Männergespräche und Frauen, die schimpfend versuchten, die Saumseligen zur Heimkehr zu bewegen.
Eragon schlängelte sich zwischen den Häusern hindurch zur Metzgerei, einem ausladenden Gebäude mit massivem Gebälk. Schwarzer Rauch quoll aus dem Schornstein.
Er drückte die Tür auf. Der große Raum war warm und gut beleuchtet durch ein knisterndes Feuer in dem steinernen Kamin. Die Ladentheke nahm die gesamte gegenüberliegende Seite ein. Auf dem Boden lag locker verstreutes Stroh. Alles war peinlich sauber, als würde der Besitzer in seiner Freizeit jede Ritze nach winzigen Schmutzspuren absuchen. Hinter der Theke stand Sloan, der Metzger. Ein kleiner Mann in einem Baumwollhemd und darüber einem langen, blutverschmierten Kittel. An seinem Gürtel hing eine beeindruckende Messersammlung. Er hatte ein bleiches, pockennarbiges Gesicht und seine schwarzen Augen blickten missmutig. Mit einem abgewetzten Putzlappen wischte er die Theke ab.
Sloans Mund verzog sich, als Eragon eintrat. »Sieh mal an, der große Jäger stattet uns Sterblichen einen Besuch ab. Wie viele hast du diesmal erlegt?«
»Keins«, war Eragons knappe Antwort. Er hatte Sloan nie gemocht. Der Metzger hatte ihn immer von oben herab behandelt, als wäre er unrein. Als Witwer schien Sloan sich nur für einen einzigen Menschen zu interessieren - für seine Tochter Katrina, die er abgöttisch liebte.
»Das überrascht mich«, sagte Sloan mit gespieltem Erstaunen. Er kehrte Eragon den Rücken zu, um etwas von der Wand zu kratzen. »Und deswegen kommst du zu mir?«
»Ja«, gab Eragon beklommen zu.
»Na, dann zeig mir erst mal dein Geld.« Sloan trommelte mit den Fingern auf die Theke, als Eragon schwieg und unruhig von einem Fuß auf den anderen trat. »Komm schon - entweder hast du welches oder nicht. Was ist nun?«
»Eigentlich habe ich kein Geld, aber ich …«
»Was, du hast kein Geld?«, unterbrach ihn der Metzger barsch. »Und da glaubst du, du bekommst trotzdem Fleisch von mir! Haben die anderen Händler vielleicht etwas zu verschenken? Soll ich dir meine Ware etwa umsonst geben? Außerdem«, sagte er
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