Das Vermaechtnis der Drachenreiter
gereizt. »Außerdem habe ich etwas gefunden, das uns ein bisschen Geld einbringen könnte.« Er legte den Stein auf den Tisch.
Garrow beugte sich darüber. Sein Gesicht nahm einen hungrigen Ausdruck an und seine Finger begannen, seltsam zu zucken. »Den hast du im Buckel gefunden?«
»Ja«, nickte Eragon. Er schilderte seinem Onkel, was geschehen war. »Und zu allem Unglück habe ich auch noch meinen besten Pfeil verloren. Ich werde demnächst neue schnitzen müssen.« Sie starrten beide in dem schummrigen Licht auf den Stein.
»Wie war das Wetter da oben?«, fragte Garrow und nahm den Stein in die Hand. Er umschloss ihn so fest, als befürchtete er, der Stein könnte plötzlich verschwinden.
»Kalt«, war Eragons Antwort. »Es hat nicht geschneit, aber es gab jede Nacht Frost.«
Garrow schien besorgt über diese Nachricht. »Morgen wirst du Roran bei der Gerstenernte helfen. Und wenn wir auch gleich noch die Kürbisse einsammeln, braucht der Frost uns nicht zu kümmern. « Er reichte Eragon den Stein. »Hier, nimm ihn. Wenn die Händler kommen, werden wir herausfinden, was er wert ist. Ihn zu verkaufen, ist wahrscheinlich das Beste. Je weniger wir mit Magie zu tun haben, desto besser … Warum hat Horst für das Fleisch bezahlt? «
Eragon schilderte in knappen Sätzen seinen Streit mit Sloan. »Trotzdem verstehe ich nicht, warum er so wütend war.«
Garrow zuckte mit den Schultern. »Ein Jahr bevor sie dich her-brachten ist seine Frau Ismira in die Igualda-Fälle gestürzt. Seitdem ist er nicht mal mehr in die Nähe des Buckels gegangen und will auch nichts mehr darüber hören. Aber das ist kein Grund, sich zu weigern, dir etwas zu verkaufen. Ich glaube, er wollte dich einfach nur ärgern.«
Eragon schwankte müde hin und her und sagte: »Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.« Garrows Blick wurde weicher und er nickte. Eragon schlurfte in sein Zimmer, schob den Stein unters Bett und ließ sich auf die Matratze fallen. Wieder daheim. Zum ersten Mal, seit er zur Jagd aufgebrochen war, entspannte er sich wieder vollständig, während der Schlaf ihn überwältigte.
DRACHENGESCHICHTEN
Im Morgengrauen fielen die ersten Sonnenstrahlen durchs Fenster und wärmten Eragons Gesicht. Er rieb sich die Augen und setzte sich auf die Bettkante. Der Holzboden unter seinen Füßen war kalt. Er streckte seine vor Muskelkater schmerzenden Beine und rubbelte sich gähnend den Rücken.
Neben dem Bett befanden sich mehrere Regalbretter mit Fundstücken, darunter verdrehte Holzteile, skurril geformte Muscheln, aufgebrochene Steine, deren Inneres geheimnisvoll schimmerte, und Knäuel aus getrocknetem Schilfgras. Einen Gegenstand mochte er besonders - eine Wurzel, die so kunstvoll in sich verschlungen war, dass er nie müde wurde, sie zu betrachten. Ansonsten war das Zimmer bis auf eine Kommode und einen Nachttisch leer.
Er zog seine Stiefel an und starrte nachdenklich zu Boden. Dies war ein besonderer Tag. Fast auf die Stunde genau vor sechzehn Jahren war seine Mutter Selena allein und schwanger nach Carvahall zurückgekehrt. Sie war sechs Jahre fort gewesen und hatte in den Städten gelebt. Als sie zurückkam, trug sie teure Kleider, und ein perlenbesetztes Netz hielt ihr Haar zusammen. Sie hatte ihren Bruder Garrow aufgesucht und ihn gebeten, bis zur Entbindung bleiben zu dürfen. Fünf Monate später wurde ihr Sohn geboren. Alle waren schockiert, als Selena Garrow und Marian unter Tränen anflehte, den Jungen aufzuziehen. Als diese sie nach dem Grund fragten, weinte sie nur und sagte: »Es muss sein.« Ihre Bitten waren immer verzweifelter geworden, bis die beiden schließlich eingewilligt hatten. Sie gab ihm den Namen Eragon und am nächsten Morgen verließ sie das Haus und ward nie mehr gesehen.
Eragon erinnerte sich daran, wie ihm zumute gewesen war, als Marian ihm kurz vor ihrem Tod die Geschichte erzählt hatte. Die Erkenntnis, dass Garrow und Marian nicht seine leiblichen Eltern waren, hatte ihn tief getroffen. Unumstößliche, nie angezweifelte Wahrheiten hatten sich als Irrtum erwiesen. Irgendwann hatte er gelernt, damit zu leben, aber immer wieder hatte der Verdacht an ihm genagt, für seine Mutter nicht gut genug gewesen zu sein. Ich bin mir sicher, sie hatte einen triftigen Grund für ihr Handeln. Ich wünschte nur, ich wüsste, was dieser Grund war.
Und noch eine Frage beschäftigte ihn: Wer war sein Vater? Selena hatte es niemandem erzählt, und wer immer es auch sein mochte, er war nie gekommen, um
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