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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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Geschlecht öffnete. Auf ihren fragenden Blick antwortete die Amme: »Es ist gut, wenn sich die Braut in der ersten Nacht züchtig aufführt. Die Öffnung erlaubt es Eurem Gemahl, bei Euch zu liegen, ohne Euch zu kränken. Vergesst nicht, dass Euch die Ehre Carcassonnes anvertraut ist. Nur eine Konkubine würde sich nackt zur Schau stellen.«
    »Eine höchst sonderbare Stelle meines Körpers, der Carcassonne seine Ehre anvertraut hat, Amme.«
    »So ist es nun einmal, Mädchen. Ich habe nichts erfunden. Alles ist, wie es sein soll. Nun steigt ins Bett und wartet. Ich muss mich zurückziehen. Und... vergesst nicht: Was jetzt Schmerz sein kann, wird morgen zur Lust.«
    Ermesenda küsste ihre Kinderfrau und umarmte sie innig. Dann stieg sie auf der Trittleiter zu ihrem persönlichen Tabernakel empor. Die gute Frau verschwand, nachdem sie alle Kandelaber gelöscht hatte. Sie ließ nur die Leuchte brennen, die ein Bild der Heiligen Jungfrau erhellte. Das Mädchen blieb im Halbdunkel allein. Ängstlich und angespannt wartete es im Brautbett auf die Ankunft des Gemahls.
    Ermesendas Erinnerungen waren mit dem unvergänglichen Duft weit zurückliegender Zeiten durchtränkt. Ihr Geist schweifte umher und beschwor den Tag herauf, an dem ihr die Mutter zum ersten Mal von dem Mann erzählte, der ihr Gemahl werden sollte.
    »Der Mann, dem du bestimmt bist, ist Graf Ramón Borrell von Barcelona, dessen Geschlecht einen gemeinsamen Ursprung mit dem unsrigen hat, weil es auf den Grafen Bello I. von Carcassonne und Barcelona zurückgeht. Wie du gewiss verstehst, hat das nichts mit den fränkischen Emporkömmlingen aus dem Norden zu tun, denn unser gesegnetes
Land gehörte damals schon zu Septimanien, das die lateinische Kultur übernommen hatte.
    Als al-Mansur in Barcelona einfiel, gerieten wir in große Bedrängnis. Das waren schreckliche Zeiten. Damals befürchteten wir, dass die Mauren nicht an den Pyrenäen stehen bleiben würden.« Die Mutter hatte ihrer Stimme einen feierlichen Ton gegeben. »Für Carcassonne ist es günstig, wenn seine Südflanke gut geschützt wird, vor allem gegen den Islam, und das Tauschobjekt bist du: die zukünftige Herrin von Foix und Narbonne. Dein Bräutigam ist Graf von Barcelona, Gerona und Osona, ein tapferer Krieger, der unsere Grenzen sehr gut verteidigen kann, und das mit noch größerem Eifer, wenn diese Grenzen die der Familie seiner Frau sind.«
     
    An all das dachte Ermesenda zurück, während sie im Saal neben dem Hauptturm ausruhte. Ihr erregter Geist irrte durch die verborgenen Winkel ihrer Erinnerungen. Die Szenen erschienen so lebhaft vor ihren Augen, dass ihr das Herz wehtat.
    Da fielen ihr ein paar Sätze ein, die ihre Mutter damals gesagt hatte: »Meine Tochter, es ist nicht wesentlich, dass du ihn noch nicht liebst. Ich kannte deinen Vater auch nicht, als man mich mit ihm verheiratet hat, und ich war sehr glücklich. Ich sage dir nur eines: Denk an Carcassonne, wenn du die Beine spreizst.«

3
    Martí Barbany
    Barcelona, Mai 1052
     
    D er Morgen dämmerte über dem Meer herauf, und Barcelona reckte und streckte sich wie eine hoffnungsvolle Jungfrau am Tag vor ihrer Hochzeitsnacht. Randvoll mit silberschuppigen Fischen beladen, kehrten die Fischerboote zum Ufer zurück. Die fröhlichen Begrüßungen der Seeleute vermischten sich mit Scherzen und Spottreden, wenn einer von ihnen entdeckte, dass der Fang eines Rivalen geringer als der eigene war.
    Eine gewaltige Menge Bauern, Knechte, Bettler, Geistlicher und Kaufleute drängte sich am Castellvell und auf dem Markt zusammen. Hier gab es ganz unterschiedliche Fortbewegungsmittel: schwerfällige Ochsenkarren, Frachtwagen voller Kisten, die mit Stricken festgebunden waren, Maultiere und Pferde. Auf den Karren und in den Mantelsäcken der Wagen lagen alle möglichen Erzeugnisse, die man auf dem an der Stadtmauer eingerichteten Markt anpreisen, tauschen oder verkaufen wollte. Dieses Stadttor hatte gegenüber dem bei den Schiffszeughäusern liegenden Regomir-Tor den einzigen Vorteil, dass der Geruch, den die Waren hier verbreiteten, erträglich war. Durch das andere Tor wurden alle Fische hereingebracht, die man in der Stadt verzehrte, und dort roch es widerwärtig, vor allem, wenn der Sommer nahte und der Gestank durch die Ausdünstungen zunahm, die vom Wildbach zum Cagalell-See aufstiegen, und das noch mehr, wenn man dessen Boden aufwühlte und den Abzugsgraben zum Meer öffnete, um den Bach zu entleeren. Die Torwächter, die unter ihren

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