Das Vermächtnis des Templers
Geschichte des Johannes von Nienburg auch eine Deutung der Vergangenheit.
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Aus den Quellen des frühen 14. Jahrhunderts erfahren wir wenig über einzelne Menschen. Grund dafür ist neben anderem, dass dem Individuum im späten Mittelalter bei weitem nicht jene Bedeutung zugemessen wurde, die ihm heute zukommt. Selbst die Namen der Baumeister der großen Kathedralen sind uns weitgehend unbekannt. Sie treten hinter ihrem Werk zurück. In den Urkunden werden in der Regel nur wenige herausragende Persönlichkeiten benannt. So ergibt es sicht, dass der Großteil der Figuren in diesem Roman frei erfunden ist, selbst wenn man hier und da eine Anspielung vermuten könnte. Authentisch sind die Bischöfe von Köln und Minden, der Loccumer Abt Lefhard, sein Nachfolger Jordanus, im Roman Novizenmeister und Bibliothekar, und Johannes von Nienburg. Er war Abt des Klosters Loccum von 1323 bis 1324. Die Urkunden kennen nur seinen Namen.
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Wer sich, angeregt vom Roman, weitergehend mit der Welt des späten Mittelalters beschäftigen möchte, der kann heute auf eine Fülle empfehlenswerter Sekundärliteratur zurückgreifen. An dieser Stelle sei eine kleine Auswahl empfohlen. Der Historiker Otto Borst gibt in «Alltagsleben im Mittelalter» eine fundierte Einführung in jene Zeit; ebenso Barbara Tuchman in «Der ferne Spiegel». Wer sich für den besonderen Aspekt des Reisens/Pilgerns im Mittelalter interessiert, sei verwiesen auf zwei Bücher von Norbert Ohler: «Reisen im Mittelalter» und «Pilgerleben im Mittelalter». Sehr gute Darstellungen der gotischen Baukunst stammen von Otto von Simson («Die gotische Kathedrale»), Günther Binding («Was ist Gotik?») und Hans Jantzen («Die Gotik des Abendlandes»). Zur Klosterkultur der Zisterzienser sei Franz-Karl Freiherr von Lindens «Die Zisterzienser in Europa» empfohlen. Zum Orden der Templer gibt Martin Bauer in «Die Tempelritter» eine seriöse Darstellung der Geschichte der Templer und der bis heute andauernden Mythenbildung. Für genauere Einblicke in die Geschehnisse von 1307 und die nachfolgenden Prozesse gegen den Orden sei auf Konrad Schottmuellers mehrbändiges Werk «Der Untergang des Templerordens» hingewiesen, in dem auch relevante Urkunden veröffentlicht sind. Wer sich näher mit dem Kloster Loccum beschäftigen möchte, findet in Nicolaus Heutgers zur «Expo 2000» erschienener Darstellung «Das Kloster Loccum im Rahmen der zisterziensischen Ordensgeschichte» eine gute Einführung.
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Das Mittelalter ist nicht finster. Oftmals verbinden Menschen mit dieser Zeit Unterdrückung, Unwissenheit und Irrationalität. Das stimmt jedoch nur bedingt. Sicherlich sind Begriffe wie Freiheit und Gleichheit den Menschen des Spätmittelalters fremd. Niemand bezweifelte damals ernsthaft die Hierarchie der als gottgegeben aufgefassten Stände. Doch gab es Freiräume, in denen sich neue Konstellationen entwickeln konnten. Das waren vor allem die Städte, in denen Handwerk und Handel ihre Blüte erlebten. Und es waren die Klöster, in denen das Wissen der Zeit gesammelt wurde. Natürlich gab es auch in dieser Zeit Unmenschlichkeit, Verfolgung und Krieg. Doch die großen Hexenverfolgungen, Inquisitionsgräuel und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen den Konfessionen ereigneten sich später; sie sind Schattenseiten jener Neuzeit, der wir zugleich den Aufbruch in ferne Länder, den Beginn aufklärerischen Denkens und die Anfänge der modernen Naturwissenschaften verdanken.
Dem späten Mittelalter ist die Vernunft nicht unbekannt, nicht einmal die offene Kritik an der Institution Kirche. Gelehrte wie Abaelard oder Anselm von Canterbury nehmen Gedanken vorweg, die Jahrhunderte später im Kontext der Reformation relevant werden; sie kennen die antike Philosophie und machen die Theologie zu einer Sache der Vernunft.
Aber charakteristisch für diese Zeit ist auch ein anderes Phänomen: Der Philosoph Hans-Georg Gadamer bezeichnete es gern als die «Kunst, hören zu lernen». Es ist der Wunsch, diese Welt nicht nur mit dem Verstand zu erfassen, sondern sich mit jeder Faser des Körpers und der Seele für sie zu öffnen, sich auf sie einzulassen, sich auf das Göttliche in ihr einzulassen.
Wir erleben heute eine Renaissance der Spiritualität, doch begegnet uns diese nicht selten als bunter Flickenteppich, ebenso vielfältig wie der Markt der Angebote auf diesem Feld, der allzu oft den kurzfristigen Charakter von Events und Wochenendseminaren annimmt.
Das spirituelle Bewusstsein
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