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Das Versprechen

Das Versprechen

Titel: Das Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Baldacci
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die Vergangenheit nichts Vergleichbares entgegenzusetzen hat. Doch es ist durchaus denkbar, dass sich der kostbarste Besitz unseres Menschseins gerade durch solche Rückschau offenbart. Wenngleich ich mir als Autor von Spannungsromanen einen Namen gemacht habe, fühlte ich mich stets von Geschichten angezogen, die in der Vergangenheit meiner Heimat Virginia wurzeln, sowie von den Erzählungen von Menschen, deren Wünsche und Erwartungen durch ihre Umwelt stark eingeschränkt sind, was auf der anderen Seite ein Gewinn ist, denn diese Menschen werden gerade durch ihre außergewöhnlichen Lebensumstände mit einer Fülle besonderer Fertigkeiten und Erfahrungen ausgestattet. Ironischerweise habe ich als Schriftsteller die letzten zwanzig Jahre damit verbracht, Jagd auf Stoff für Geschichten zu machen, und dabei völlig übersehen, dass eine Fülle von Material in meiner eigenen Familiengeschichte zu finden ist. Ich entdeckte diese Materialien zu einem späteren Zeitpunkt, als es eigentlich der Fall hätte sein sollen. Aber vielleicht ist gerade dies der Grund dafür, dass das Schreiben dieses Romans zu einer der lohnendsten Erfahrungen meines Lebens wurde.

 
KAPITEL 1
    Die Luft war feucht; dichte graue Wolkenbänke waren aufgezogen und kündeten von bald einsetzendem Regen, und der strahlend blaue Himmel war rasch verblasst. Der 1936er Lincoln Zephyr, eine viertürige Limousine, bewegte sich träge, ohne besondere Eile über die kurvenreiche Straße. Der appetitliche Duft von frisch gebackenem Brot und Hähnchen, von Pfirsich- und Zimtkuchen stieg aus dem Picknicckorb auf, der verlockend zwischen den beiden Kindern auf der Rückbank platziert war, und erfüllte das Wageninnere.
    Die zwölfjährige Louisa Mae Cardinal - von ihrer Familie kurz »Lou« genannt - war groß und schlank für ihr Alter; ihr Haar hatte die Farbe von sonnengebleichtem Stroh, und ihre Augen waren strahlend blau. Sie war ein hübsches Mädchen, von dem man zuversichtlich annehmen durfte, dass es zu einer sehr schönen Frau heranwachsen würde. Doch Lou würde sich strikt weigern, Teepartys auszurichten oder sich einen Zopf zu flechten oder Rüschenkleider zu tragen - und würde sich durchsetzen. Das war Teil ihres Wesens.
    Ein Notizblock lag auf Lous Schoß, und emsig wie ein Fischer sein Netz füllte sie die leeren Seiten, indem sie alles niederschrieb, was ihr bedeutsam erschien. Ihrem eifrigen, ja begeisterten Gesichtsausdruck nach zu schließen, schien das Mädchen mit jedem Wort, jedem Satz einen fetten Fang einzuholen. Lou war hoffnungslos dem Schreibteufel verfallen - ein Wesenszug, der keineswegs einer kindlichen Laune entsprang, sondern den sie vom Vater hatte, der die Lust am Schreiben noch ungleich stärker verspürte.
    Auf der anderen Seite des Picknicckorbes saß Lous Bruder Oz. Der Name war eine Kurzform seines Taufnamens Oscar. Er war erst sieben und zierlich für sein Alter, obgleich seine großen Füße hoffen ließen, dass aus ihm mal ein stattlicher Mann werden mochte. Doch er besaß weder die schlanken Gliedmaßen noch die körperliche Anmut seiner älteren Schwester noch deren natürliche Zuversicht, die so klar und funkelnd in ihren Augen zu lesen war. Stattdessen hielt Oz seinen abgewetzten Plüschteddy im unentrinnbaren Griff eines Catchers an sich gedrückt, ängstlich beinahe und Halt suchend, was ihm eine Ausstrahlung verlieh, die andere Menschen auf Anhieb für ihn einnahm. Wer Oz Cardinal kennen lernte, gelangte unausweichlich zu der Überzeugung, dass er ein kleiner Junge mit großem Herzen war - so groß und überströmend, wie Gott es nur den schwachen und verletzlichen Seelen gab.
    Gedankenverloren saß Jack Cardinal hinter dem Steuer. Das drohende Unwetter nahm er nicht zur Kenntnis; nicht einmal der Insassen des Wagens schien er sich gewahr zu sein. Seine schlanken Finger trommelten auf dem Lenkrad. Die Fingerkuppen hatten mit den Jahren, in denen sie monoton auf Schreibmaschinentasten eingehämmert hatten, Schwielen bekommen. Deutlich sichtbar war auch eine kleine Einkerbung am rechten Mittelfinger, an dem sich über die Jahre hinweg ungezählte Bleistifte beharrlich ihr Bett geschaffen hatten. Ein Stigma, wie Jack oft spöttisch bemerkte.
    Wie viele Schriftsteller bevorzugte auch Jack überschaubare »Bühnen«, dicht bevölkert von Figuren voller Fehler und Schwächen - Figuren, die sich von Seite zu Seite weiterentwickelten und für den Leser greifbarer und vertrauter wurden, als es die eigene Familie

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