Das Versprechen
augenblicklich für Jack war. So mancher Leser mochte zu Tränen gerührt sein, sobald eine lieb gewordene Romanfigur durch die Feder des Autors sterben musste, doch selbst die Schönheit und Ausdruckskraft der Sprache Jack Cardinals überdeckte niemals den Ernst seiner Geschichten, denn die Themen, die darin steckten, waren von machtvoller Größe. Doch dann gab es hier und da wieder eine besonders gut formulierte Zeile, die einen zum Lächeln, mitunter sogar zum lauten Lachen brachte; denn eine Prise Humor war in der Regel das wirksamste Mittel, einen schmerzlichen Sachverhalt möglichst schonend zu vermitteln.
Jack Cardinals schriftstellerische Begabung hatte ihm viel Lob von Seiten der Kritiker, aber wenig Geld eingebracht. Nicht einmal der Lincoln Zephyr gehörte ihm; der Luxus eines eigenen Automobils, ob der Wagen nun schmuck oder schlicht war, schien für Jack auf immer unerreichbar zu sein. Der Lincoln war für den heutigen Picknick-Ausflug lediglich von einem Freund und Bewunderer Jacks ausgeliehen. Und die Frau auf dem Beifahrersitz hatte ihren Mann bestimmt nicht seines Geldes wegen geheiratet.
Amanda Cardinal trug die besondere Eigenart ihres Gatten gewöhnlich mit Fassung. Auch diesmal ließ ihre Miene eine Art gutherzige Resignation erkennen: Sie hatte sich damit abgefunden, dass Jacks Gedanken wieder einmal durch die Welten seiner Fantasie schweiften - Welten, die ihm stets die Flucht vor den unangenehmen Dingen des Lebens ermöglichten. Später dann, wenn die Decke auf dem Rasen ausgebreitet und das Picknick angerichtet war und die Kinder spielen wollten, würde Amanda ihren Mann behutsam aus seinem literarischen Universum zurück auf die Erde holen müssen.
Doch ausgerechnet heute wurde sie von einer tiefen Unruhe erfasst, während sie Meile um Meile dahinfuhren. Sie brauchten diesen gemeinsamen Ausflug dringend, nicht allein wegen der frischen Luft und der Ruhe und des guten Essens in freier Natur. Dieser außergewöhnlich warme Vorfrühlingstag erwies sich in vielerlei Hinsicht als ein Geschenk des Himmels. Amanda schaute zu den düsteren Wolken hinauf.
Verzieh dich, Unwetter. Bitte, verschwinde.
Um ihre angespannten Nerven zu beruhigen, drehte Amanda sich zu Oz um und lächelte. Ihr wurde immer warm ums Herz beim Anblick des kleinen Jungen, obgleich er ein sensibles, leicht zu ängstigendes Kind war. Amanda hatte ihren Sohn oft in den Armen gewiegt, wenn er von einem Albtraum geplagt worden war. Zum Glück wich Oz’ schreckerfülltes Weinen rasch einem Lächeln, sobald er die Mutter erkannte, und jedes Mal hätte Amanda ihn dann am liebsten für immer so sicher und geborgen in den Armen gehalten.
Oz hatte sein Äußeres unverkennbar von der Mutter geerbt, während Lous Gesicht Amandas hohe Stirn und Jacks schmale Nase und sein spitzes Kinn verband - eine anziehende Kombination. Doch hätte man Lou gefragt, nach wem sie käme, hätte sie auf Anhieb geantwortet: »Nach Dad natürlich.« Was keineswegs hieß, dass sie ihre Mutter nicht respektierte; es zeigte bloß, dass Lou sich in erster Linie als Tochter des Schriftstellers Jack Cardinal betrachtete.
Amanda wandte sich wieder ihrem Mann zu und streifte mit ihren Fingern seinen Unterarm. »Neue Story im Anflug?«, fragte sie.
Jack löste sich langsam aus seiner neuesten Geschichte, und entführt aus seinen Fantasiewelten schaute er seine Frau an, ein Grinsen auf den vollen Lippen, das neben einem vieldeutigen Blitzen seiner grauen Augen für Amanda das attraktivste körperliche Merkmal ihres Gatten war.
»Wie ein Vogel im Wind«, sagte Jack. »Die Freiheit des Schriftstellers.«
»Als Gefangener deiner eigenen Ideen«, erwiderte Amanda sanft und nahm die streichelnde Hand von seinem Arm.
Während ihr Mann wieder in seine Gedankenwelt abdriftete, beobachtete Amanda, wie Lou an ihrer eigenen Story arbeitete. Sie sah deutlich das Potenzial für viel Glück, aber auch manch unvermeidbaren Schmerz im späteren Leben ihrer Tochter. Doch Amanda konnte nicht Lous Leben für sie führen; sie war zum Zuschauen verdammt, wenn ihr kleines Mädchen Nackenschläge und Niederlagen hinnehmen musste.
Ohnehin hätte Amanda niemals helfend die Hand nach Lou ausgestreckt; denn wie Lou nun einmal war, hätte sie diese sicher zurückgewiesen. Sollten jedoch Lous Finger einmal Hilfe suchend nach der Hand der Mutter greifen, würde Amanda immer für ihr kleines Mädchen da sein. Es war ein prekäres Verhältnis, das stets die Gefahr von Missverständnissen
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