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Das Versprechen der Kurtisane

Das Versprechen der Kurtisane

Titel: Das Versprechen der Kurtisane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cecilia Grant
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das Leben als großes Spiel angesehen. Warum sollte er jetzt auf einmal eine militärpolitische Meinung haben? »Ich versichere dir, es sollte kein Schachzug sein.« Erleichterung verlieh seinen Worten Nachdruck. Ein Zerwürfnis konnte er nicht gebrauchen; in letzter Zeit hatte er ohnehin schon oft genug das Gefühl, dass seine alten Freunde ihm Fremde geworden waren. Und er stritt tausendmal lieber über eine Frau als über eine Schlacht. »Bin ich denn hier der Einzige, der Schwestern hat? Der die Grundregeln des Anstands beherrscht? Keine Frau verdient es, so etwas über sich mit anhören zu müssen.« Er konnte sich einen verstohlenen Blick nicht verkneifen, doch falls Miss Slaughter irgendetwas von seiner unbeholfenen Galanterie mitbekommen hatte, ließ sie sich nichts anmerken. Gelassen machte sie einen weiteren Strich auf ihrem Papier und lehnte sich mit gestrafften Schultern und erhobenem Kopf zurück. Ihr Blick war schonungslos und unbarmherzig wie der eines Falken. Kein einziges Mal drehte sie sich zu ihm um.
    Auch das Glück war ihm diesmal nicht hold. Er verlor mit einer Hand zwanzig und mit der anderen dreißig Pfund an Mr Roanoke, was mehr als ein Drittel seines Gewinns wieder auslöschte. Mochte es ihm eine Lehre sein, sich in solche Bagatellen verstricken zu lassen. Angewidert verließ er den Tisch.
    Es war einst ein Wohnhaus gewesen, dieses Gebäude, das nun den Club und seine sittenlosen Mitglieder beherbergte. Einige Wände waren durchbrochen worden, um die nötigen großen Säle und das Speisezimmer zu schaffen, doch die vorherige Verwendung der Räumlichkeiten war an vielen Stellen noch zu erkennen. Hinten im zweiten Stock gab es zum Beispiel einen kleinen Salon, in dem einige Damen saßen, denen der Sinn nicht nach Kartenspielen stand. Will wandte sich ab vom Licht und Geplauder und fand auf der Straßenseite derselben Etage eine kleine Bibliothek, die sogar noch mit Büchern bestückt war. Es gab weder Feuer noch Kerzen, doch umso wahrscheinlicher war es, dass er den Raum für sich haben würde.
    Ein Bücherregal stand im rechten Winkel zum einzigen Fenster, und im Dunkel dahinter konnte er eine Form ausmachen, die sich beim Näherkommen als Sessel entpuppte. Hervorragend. Er ließ sich hineinsinken und schloss die Augen. Durch die geöffnete Tür drangen die Geräusche des Hauses an sein Ohr, entfernt und undeutlich. Stimmen. Gelächter. Leise Musik – eine Geige? – aus dem Ballsaal unter ihm. Bestimmt würde später noch getanzt werden. Eine weitere raffinierte Annehmlichkeit, die das Haus von schäbigen Etablissements wie dem Smith and Pope’s abhob und auf seine vornehmere Gesellschaft hindeutete. Hier konnte ein Gentleman mit Kurtisanen Walzer tanzen, sich einen Rausch antrinken und sich zugunsten seinesgleichen in den Ruin treiben anstatt zugunsten eines namenlosen Besitzers.
    Und wer bist du, sie dafür zu verurteilen?
Er rutschte tiefer in den Sessel und verschränkte die Arme. Manchmal schien es ihm, als sei er gar nicht mehr fähig, sich zu vergnügen. Ganz unbeschwert. So, wie man es sollte. So, wie er es früher gekonnt hatte. Seit fast acht Monaten war er nun schon zurück in England, wich Einladungen aus und mied alte Bekannte und Freunde aus Studententagen, denen er plötzlich nichts mehr zu sagen hatte. Nur der dickhäutige, fröhliche Cathcart war geblieben, und auch der Viscount hatte es nicht der Freundschaft wegen geschafft, ihn zu überreden, sondern deswegen, weil er einen Abend im Spielclub in Aussicht gestellt hatte, just in dem Moment, in dem Will mehrere Tausend Pfund benötigte.
    Etwas Hartes und Kantiges drückte gegen Wills Unterarm. Etwas in seiner Brusttasche, an das er sich gar nicht …
    Gütiger Himmel. Die Tabakdose. Diesen Frack hatte er angehabt, als er zum ersten Mal bei Mrs Talbot gewesen war.
    Er holte die Dose hervor, stand auf und hielt sie auf der ausgestreckten Hand um das Bücherregal herum ins Mondlicht, das durch das Fenster fiel.
    Dass ein Mann mit bescheidenem Einkommen einen so hübschen Gegenstand besessen hatte! Ein goldener Verschluss, goldene Scharniere und eine Jagdszene aus Emaille auf dem Deckel. Vermutlich war die Dose einiges wert. Deswegen hatte er sie auch in der Tasche behalten, als er gesehen hatte, wie die Talbots die anderen Kleinigkeiten, die er zurückgegeben hatte, begrapscht hatten. Wenn Mrs Talbot wieder unabhängig von ihren Verwandten war, würde er ihr die Dose zurückgeben, damit sie sie für das Kind aufbewahren

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