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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Masse. Schließlich erkannte er die Formen von zerstörten Häusern, in deren leeren Fensterhöhlen sich das Eis ausgebreitet hatte.
    »Es sind die Reste einer Nomadenstadt!« sagte er schließlich. »Ich erkenne einen Torturm.«
    Natürlich dachte er zuerst an Churkuuhl. Er glaubte, in den eisverkrusteten Trümmern, die auftauchten und sich wieder senkten, die Stadt zu erkennen, die ein solch grässliches Ende genommen hatte.
    »Die Reste von Churkuuhl? Bist du sicher?« fragte Nottr und federte einen starken Stoß des Bootes ab.
    »Ziemlich sicher!«
    Mondlicht lag auf den Trümmern. Sie bildeten eine zusammenhängende Fläche aus den ineinander verschachtelten Hausresten. Ein toter Yarl trieb zwischen Balken und Palisadenresten. Die Wellen hoben und senkten das Trümmerfeld, dessen einzelne Teile sich gegeneinander rieben und bewegten. Ein ständiges Knirschen und Krachen kam über die Wellen und bildete ein Signal der Gefahr. Immer wieder wurden Teile der Trümmermasse von einer besonders starken Welle hochgeschoben und brachen auseinander. Ein breiter Schwanz von kleinen Bruchstücken schwamm wie ein Kometenschweif im Kielwasser der driftenden Stadtruine. Die Geräusche waren schon jetzt stärker als die des Windes und der Wellen. Mythor griff ins Steuer und änderte den Kurs des Bootes ein wenig, so dass es hinter der zerbrochenen und menschenleeren Nomadenstadt durchfahren würde. Es wurde fühlbar kälter, und auch Mythor fror unter seinem Fellmantel.
    Das Husten Kalathees hörte auf, aber sie war noch immer kraftlos und im Fieber. Die beiden Männer blieben im Heck und versuchten, das Boot so schnell und auf so geradem Kurs wie nur irgend möglich durch den eisigen Sturm zu bringen. Schweigend blickten die Insassen des Bootes auf die krachende und berstende Masse aus Eis und Gebäuderesten, und Mythor erkannte, dass es sich tatsächlich um Churkuuhl handelte. Es war kein Leben mehr in diesem schwimmenden Haufen aus Ruinen und Zerstörung. Jetzt herrschte dort das Eis, und die starren Leichen einiger Marn schwammen im Sog der driftenden Masse dahin.
    »Hier hat alles wirklich angefangen«, murmelte Mythor zu sich selbst. Ein Kreis hatte sich geschlossen, aber für ihn bedeutete es nichts: Die Prüfungen, die er als Sohn des Kometen noch vor sich hatte, würden nicht weniger hart sein als sein Weg bisher.
    »Möge die Erbschaft des Lichtboten mir helfen«, flüsterte er, und dann durchfurchte das Boot, das schwer nach Backbord hängte, die kleinen Trümmer, die knirschenden Eisschollen und den Abfall der gestorbenen Stadt. Der schwarze Streifen voraus wurde deutlicher. Es gab keinen Zweifel, dass es sich um Land handelte. Und wenn es Land war, lag irgendwo dort der Hafen von Nyrngor, den sie nicht anlaufen durften.
    *
    Die Fahrt mit dem Lahmen Seevogel dauerte eine Ewigkeit. Wenigstens kam es den drei Männern so vor.
    Das Eis stand fast knietief im Boot. An jeder Stelle befanden sich Eisschichten, Eisgirlanden und Eispanzer. In gefährlichem Winkel hing das Boot im Wasser, aber es hielt den Kurs. Die schwarze Silhouette kam näher, Einzelheiten wurden deutlicher. Es war eine zerklüftete Felsenküste mit schmalen Einschnitten und kleinen, finsteren Stränden. Einige laublose Bäume waren zu erkennen, die sich im Sturm schüttelten. Das Schiffchen trieb geradewegs auf eine Reihe scharfer Felsen zu, die der Küstenlinie vorgelagert waren. Mythor riss das Ruder herum und zwang das Boot, sich aufzurichten und schräg an den Steinblöcken vorbeizufahren. Tauwerk straffte sich, der Mast knirschte schrecklich, Eisstücke lösten sich und flogen den Männern in die Gesichter.
    »Ich habe es euch geschworen, als wir ablegten, drüben...«, sagte Mythor und sah, wie die Planken eine Handbreit an einem aus den Wellen tauchenden Felsen entlangscheuerten. Wieder wurden Eisschichten und Holzspäne von den Planken gerissen. »Wir schaffen es!«
    »Gleich schafft uns der Felsen«, sagte Nottr grimmig.
    »Die kurze Strecke schwimmen wir auch noch!«
    »Und frieren im Wasser ein«, widersprach Nottr.
    Der Lahme Seevogel war fast am Ende. Ein Tau riss, im Segel zeichnete sich ein Netz von Rissen ab. Nur der Eispanzer hielt noch die Stofffasern zusammen. Das Boot geriet in eine Brandungswelle und schwankte hin und her.
    Wieder rissen zwei Planken auf und ließen Wasser ein. Mythor steuerte an drei nadelscharfen Felsen vorbei und auf einen flachen Strand zu, der sich hinter einem Felsen erstreckte. Der Stein hatte die Form eines

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