Das verwunschene Tal
roch geradezu köstlich. Die Männer betteten Kalathee auf einigermaßen trockene Felle, drehten sich selbst vor den Flammen hin und her und spürten, wie die Erstarrung langsam aus ihren Körpern wich.
»Ich habe es nicht glauben können«, sagte Sadagar und räusperte sich, »als wir vom Ufer abstießen.«
Zwei Astgabeln von Treibholzstücken befanden sich an den beiden Seiten des Feuers, abseits von den Flammen. Nottr kauerte davor und drehte den Pfahl langsam hin und her, dann stand er wieder auf und knetete den Lederschlauch. Der Wein war noch eiskalt. Sadagar wickelte einen Becher aus und schichtete Brotfladen und Stücke getrockneten Fisches, den sie von den Besitzern des Bootes erhalten hatten, auf ein Tuch.
»Es wird ein fürstliches Mahl werden«, versprach Nottr und zog seine nassen Stiefel aus.
»Uns wird es so vorkommen!« versicherte Mythor.
Sie sahen sich in die Augen und fingen zu lachen an. Es war ein dröhnendes Gelächter, das die aufgestauten Ängste beseitigte und die neu gewonnene Lebensfreude kennzeichnete. Als schließlich auch Kalathee einstimmte, wussten sie endgültig, dass sie gerettet waren.
Während sie auf den Braten und darauf warteten, dass der Wein trinkbar wurde, schleppte Mythor die Reste des Segels heran, zerhieb den Mast und errichtete eine Art Windschirm vor den Felsen. Die Flammen leckten an den Wänden, die Kleidung wurde trockener, und es stank nach versengtem Fell. Diese Nacht würden sie Schlaf finden und Wärme.
Nottr übernahm die erste Wache, nachdem sie gegessen und Kalathee mit den besten Brocken gefüttert hatten.
Bis weit nach der Morgendämmerung ließ er das Feuer nicht ausgehen. Als das erste Sonnenlicht des Tages auf die noch immer aufgewühlten Wellen schien, verbreitete noch immer ein großer Haufen weißer und roter Glut Licht und Hitze zwischen den Felsen. Mythors Helm hing auf einem Pfahl, den der junge Krieger mit dem Schwertgriff in den Boden gehämmert hatte. Wie ein urzeitlicher Schädel oder die Knochen eines seltsamen Tieres schien der Helm die Schlafenden zu bewachen.
*
In dieser Stunde der Nacht war Nyrngor mehr denn je eine tote Stadt. Die Peitschen der Caer knallten nicht mehr. Ihre Lanzenschäfte schlugen nicht mehr auf die hungernden Bewohner ein. Die Gassen und Plätze waren leer; die Stadtbewohner, die nicht geflohen waren, hatte die Spuren der Belagerung und der Kämpfe wegräumen müssen. Aber dennoch war die Stadt alles andere als sauber. Ihr ursprüngliches Aussehen war inzwischen Legende. Die verkohlten Balken und die geschwärzten Mauern der verbrannten Häuser und Häuserzeilen ragten wie verdorrtes Holz in die Luft. Ratten huschten pfeifend durch die Trümmer und suchten in der peinigenden Kälte nach Fressen.
Der Wind, der eisig durch die offenen Tore hereinheulte, war wie ein Symbol für den Niedergang der Stadt.
Ab und zu hörte man Waffenklirren und den harten Schritt von Bewaffneten. Dann verbreiteten die Fackeln der Caer- Posten auch schwaches, flackerndes Licht in den schmalen Gassen.
Fenster waren mit Lumpen und Decken verhängt. Nur aus wenigen Schloten stiegen dünne Rauchfahnen in die Nachtluft. Geborstene Türen wurden durch Stricke und darüber genagelte Bretter zusammengehalten. Von einigen Dächern tropfte Wasser und bildete lange Eiszapfen. Nirgendwo lag Schnee, nicht einmal in den Winkeln, in die niemals ein Sonnenstrahl fiel. Die Körper von Gehenkten baumelten von schaukelnden Ästen. Von irgendwoher wehte der Geruch einer Suppe, die aus unbeschreiblichen Zutaten bestehen musste. Ein gellender Pfiff ertönte aus der Richtung der Stadtmitte. Eine Frau schrie hell auf, aber niemand wusste, woher der Schrei kam.
Im Hafen bildete sich Eis auf der Wasseroberfläche. Es waren nicht mehr viele Schiffe da; nur noch ein paar tausend Caer-Soldaten befanden sich in Nyrngor. Auch große Teile des Lagers waren abgebaut und auf die abziehenden Schiffe gebracht worden. Als habe sich die Nachricht vom Fall und der Besetzung der Handelsstadt über das ganze Land verbreitet, war auch kein einziges Schiff mehr hierhergekommen.
Ein Hund knurrte plötzlich auf, kniff den Schwanz zwischen die Beine und rannte unter den zertrümmerten Torflügeln hervor. Als habe er ein Ziel, rannte er hechelnd auf dem Pflaster dahin, sprang in weiten Sätzen über eine Brücke, überquerte im Schutz der Dunkelheit einen Platz und lief dorthin, wo Schloss Fordmore den Mittelpunkt der besiegten Stadt bildete.
Jeder Schritt enthüllte im
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