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Das verwunschene Tal

Das verwunschene Tal

Titel: Das verwunschene Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Kneifel
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Bootes. Nur eine Mannslänge hinter dem eisverkrusteten Ruder schlugen die hakenförmigen Klauen enttäuscht ins Wasser zurück.
    Mythor erkannte, dass die Gefahr noch lange nicht vorbei war. Er schwankte und rutschte unter dem Segel hindurch zum Bug des Schiffchens. Dort klammerte er sich an dem doppelten Tau fest, das von der Mastspitze bis zu einem schweren Eisenring oberhalb des Bugspriets lief.
    Eine zweite Riesenspinne tauchte aus dem Meer auf. Als sich die Kreatur aus dem Wasser schob, den unförmigen Fratzenschädel suchend drehte, packte Nottr das Ruder und versuchte, das Boot nach rechts zu steuern. Mythor hob langsam das Schwert, heftete den Blick auf das Untier und wartete, die Stöße des Bootes mit den Knien abfedernd.
    Das Boot schoss scheinbar schräg an dem Spinnenungeheuer vorbei. Aber die Bestie griff an. Sie stemmte sich durch das Wasser. Ihre Arme schlugen die Wellen in einem rasenden Wirbel. Das Glühen, das von den unzähligen Augen ausstrahlte, schuf auf dem Wasser verschwimmendes Funkeln. Dort, wo der Körper durch die Wellen gerissen wurde, und an den Stellen, an denen die tentakelartigen Glieder eintauchten und wieder hochgepeitscht wurden, schien die See zu kochen und zu brodeln. In unheimlicher Schnelligkeit furchte das zweite Untier durch das Wasser, während die zuerst aufgetauchte Bestie versuchte, das Boot einzuholen. Aber sie würde es nicht schaffen, vorausgesetzt, nichts hielt den Seevogel auf.
    Drei schwingende Tentakel erhoben sich über den eisbedeckten Leib des Spinnenwesens, bogen sich weit zurück und verschwanden, Eisstücke losschleudernd, in der Dunkelheit. Der Körper arbeitete sich weiter, auf diesen unsichtbaren Punkt zu, an dem das Boot vorbeikommen musste .
    Mythor hob das Gläserne Schwert. Wenn es aus seinen Fingern glitt, dann war die Waffe für alle Zeit in der Tiefe des Meeres versunken. Seine Finger krampften sich um den Griff. Dann riss er sich schnell den rechten Handschuh ab, packte das Schwert erneut und fühlte, wie es mit seiner geballten Hand zu verschmelzen schien. Aus der Finsternis sausten die Krallen und Klauen und Saugnäpfe heran. Ein Hagel winziger Eisstücke traf Mythor, aber er kniff die Augen zusammen und schlug zu.
    Als sich der erste Tentakel krachend in die Bordwand bohrte, das Boot umschlingen und an sich ziehen wollte, sauste das Schwert herab. Das ferne, melancholische Stöhnen wurde vom
    Splittern des Holzes und dem Wind übertönt. Aber Altons Schlag schnitt den unterschenkelstarken Arm ab. In einer krampfhaften Zuckung bohrten sich Dornen und Krallen ins Holz. Der zweite Tentakel schwirrte heran, schlug gegen das Tauwerk und griff nach Mythor. Wieder sauste das Schwert herab und durchschnitt mit einem einzigen, mächtigen Hieb die Masse aus Knochen und Muskeln.
    Aus dem abgetrennten Stumpf ergoss sich pulsierend eine dampfende Flüssigkeit ins Meer. Mythor duckte sich unter dem dritten Arm, das Schwert fuhr hoch und traf das schlangenartige Etwas in der Luft.
    Das Spinnenungeheuer stieß ein knurrendes Fauchen aus. Es versank halb im Wasser, während das Boot sich stampfend und schaukelnd an dem unförmigen Leib vorbeikämpfte. Der Kopf tauchte auf, zwei Kiefer schlossen sich mit berstendem Krachen.
    Mythor blickte am Segel vorbei in Nottrs Gesicht.
    Der Bepelzte stemmte sich mit aller Kraft gegen das Ruder und versuchte, von der brodelnden Stelle um die Backbordplanken wegzukommen. Wieder packte der Wind das Segel und riss den Seevogel vorwärts. Mythor sah, dass das erste Ungeheuer seine Versuche, das Boot zu verfolgen, aufgegeben hatte. Er stieß Altons Spitze in den abgetrennten Teil des Beines, der quer im Bug lag und zuckte. Mit einer wütenden Bewegung schleuderte er den Stumpf über Bord.
    Die Krallen des ersten Tentakels bohrten sich ins Holz, ließen die Eisschicht knirschen und aufspringen, lösten sich wieder und schienen im Todeskampf ein eigenes Leben zu entwickeln.
    »Ich werde mein Leben lang von dieser Nacht träumen«, murmelte Mythor. Noch war kein drittes Ungeheuer aufgetaucht, aber er war darauf vorbereitet.
    Einige Zeit verging, vielleicht hundert Herzschläge.
    Dann zeigte sich an vier Stellen Bewegung. Nacheinander spie die See vier Ungeheuer aus. Sie waren größer als die beiden ersten Kreaturen mit ihren Krakenarmen. Die vier Kolosse bildeten eine unregelmäßige Reihe. Die beiden äußeren waren keine Gefahr; das Boot würde schnell an ihnen vorbeiziehen, ehe sie es von zwei Seiten ergreifen konnten. Mythor

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