Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
nichts, nicht wahr?«
Rhonans Miene wurde trotzig. »Nein!«
»Du willst den Thron nicht?«
»Nein! Das habe ich dir schon immer gesagt.«
»Mit den Freien Reichen verbindet dich auch nichts, oder?«
»Nein! Was sollte mich denn auch mit ihnen verbinden?«
»Warum willst du denn dann überhaupt gegen Camora kämpfen?«
»Du willst jetzt hören, dass ich es nur für Caitlin und mich mache, nicht wahr? Aber den Gefallen tu ich dir nicht. Zusammen mit den Kalla können die Freien Reiche die Schlacht auch ohne mich gewinnen. Sie könnten lustig bis zum Ende kämpfen, und ich könnte unterdessen schon zur Rettung meiner Frau eilen. Glaubst du ernsthaft, irgendjemand könnte mich davon abhalten, wenn ich das wollte? Den Zweikampf habe ich aus ganz anderen Gründen angenommen, und, ob du es nun glaubst oder nicht, mein weiser Freund, ich habe sogar Tausende von Gründen, und die sind alle draußen vor dem Zelt. Sie schreien und stöhnen vor Schmerzen oder, wenn sie bisher Glück hatten, fürchten sich zu Recht vor der Fortsetzung der grausamen Schlacht. Ich habe mir die Gesichter der Überlebenden angesehen. Nur nackte Angst und Grauen war in ihnen zu sehen. Das sind meine Gründe. Seit ich denken kann, sterben unschuldige Menschen um mich herum, und ich konnte nie etwas daran ändern. Heute ist es anders. Heute kann und werde ich das verhindern.«
»Ach, wirklich?«
»Ja!«
Rhonans Stimme war immer noch kalt und völlig ruhig, und Gideons Blick entspannte sich etwas. »Kühl und beherrscht wie immer.«
»Ich weiß, wer ich bin, und ich weiß, was ich kann. Du weißt, wer ich bin, und du weißt, was ich kann. Zugegebenermaßen kann ich nicht viel, aber kämpfen konnte ich schon immer. Hättest du es jetzt gern anders?«
»Nein! Hast du Angst vor dem Kampf?«, fragte er leise.
Rhonan starrte ihn länger an, zuckte endlich die Achseln und lächelte verzerrt. »Das weißt du doch längst, oder? Wenn du es denn unbedingt auch hören willst: Ja, heute schon! Vielleicht nicht unbedingt Angst, aber schon ein seltsames Gefühl. Es steht so viel auf dem Spiel. Aber ich werde den Schwarzen Fürsten besiegen, für die Menschen da draußen, für meine tote Familie, für meine lebende Familie und für mich.«
»Es wäre mir wohler, wenn du zumindest auf eine Verlegung des Kampfes bestanden hättest.«
Er zuckte nur die Achseln und erklärte entwaffnend ehrlich: »Wozu hätte das gut sein sollen? Es hätte für mich nichts gebracht, den Kampf zu verschieben, weil meine Gedanken von ganz allein immer wieder bei Caitlin sind. Daran kann ich einfach nichts ändern, so sehr ich es auch versuche. Eine schlaflose Nacht mehr hätte mir kaum Erholung gebracht. Reicht dir das?«
Gideon dachte daran, dass Rhonan nie lange Für und Wider abwog, sondern eigentlich immer aus dem Augenblick heraus entschied, weil er sehr genau wusste, was er sich und seinem Körper noch zumuten konnte, wenn er bis an seine Grenzen und auch noch ein wenig darüber hinaus ging. Er dachte auch daran, wie oft ihnen dessen uneigennützige Entscheidungen schon das Leben gerettet hatte, und nickte mit einem liebevollen Lächeln.
Rhonan räusperte sich und fuhr fort: »Du hast doch diese Kräutersalbe, die so schön wärmt. Könntest du mir davon etwas auf den Rücken schmieren? Der schmerzt nämlich ein wenig. Und vielleicht könntest du vorher noch Derea holen, damit der mir etwas über Camoras Kampfkunst erzählt.«
Bevor der Verianer das Zelt verließ, erreichte ihn noch einmal die leise Stimme seines Freundes. »Du hattest ja recht, mich zu schelten. Ich war bei der Schlacht zuerst wirklich abgelenkt, und allein deine Rüstung hat mir heute das Leben gerettet. Ich danke dir dafür. Aber das ist längst vorbei. Weißt du, für Caitlin würde ich mein Leben und meine Zukunft jederzeit, ohne zu zögern, opfern, aber nie das Leben und die Zukunft anderer.«
Gideon drehte sich um und seufzte tief. Eine Weile stand er mit hängenden Armen da, als wüsste er nicht, was er sagen sollte, dann erklärte er mit heiserer Stimme: »Ich weiß, mein Freund. Das wusste ich immer. Verzeih mir meinen Auftritt eben! Mir allein muss ich Vorwürfe machen, denn mir ging es eben nur um dich und mich. Ich … ich … Weißt du, schon seit langem habe ich dich immer mehr als eine Art Sohn betrachtet. Du bist mir so unendlich lieb und teuer geworden … ich will dich einfach nicht verlieren, und mir ist fast schwindelig vor Angst.«
»Ich danke dir auch für deine Liebe, denn
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