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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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Fürst innerlich kochte, war für ihn selbstverständlich, denn, dass ein Gegner sich so viel Zeit ließ, überschritt schon die Grenze zur Beleidigung.
    Doch endlich erschien der Prinz, begleitet von Canon und Derea.
    Er schritt langsam, wie Canon es ihm eingeschärft hatte, hocherhobenen Hauptes durch die Reihen seiner Krieger, und alle sanken schweigend auf ein Knie und beugten das Haupt.
    »Nur nach vorn sehen«, raunte Canon. »Du bist ihr König.«
    Kaum hatte Rhonan den Kampfplatz betreten, als Morwena sich auch schon erhob, um mit den Worten »Mein König!« ebenfalls auf die Knie zu sinken.
    Sämtliche Fürsten und Heerführer der Freien Reiche folgten umgehend ihrem Beispiel.
    Deren Krieger, die bisher schweigend verharrt hatten, nahmen den Ruf auf. Wie Donnerhall erfüllte ihr »Sieg unserem König!« das Tal.
    Derea überkam gleichzeitig Trauer und Freude, als er sah, dass jetzt auch in den Reihen der Horden unzählig viele Männer auf ein Knie sanken und lautlos ihre Lippen bewegten. Welch große Hoffnung lag allein in dieser Geste. Männer, die jahrelang Camora gedient hatten, zeigten jetzt offen, dass sie dies nur gezwungenermaßen getan hatten. Sollte Camora siegen, würden sie seinen tödlichen Zorn zu spüren bekommen, so sicher, wie die Nacht dem Tag folgte.
    Ein Blick auf seinen königlichen Begleiter sagte ihm, dass dem zumindest ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Der schluckte sichtbar, als seine Augen über die jubelnde Menge glitten.
    »Ruhig und still!«, gab Canon leise Anweisung, als er dessen Unruhe spürte. »Du musst nichts sagen, du musst nur siegen.«
    Rhonan stand also da und tat das, was er inmitten vieler Menschen am besten konnte, nämlich nichts. Weder Blick noch Haltung verrieten mehr als verständliche Rührung, aber durch seinen Kopf jagten plötzlich die wildesten Gedanken: Allein ein Stolpern könnte gleich über die Zukunft von Tausenden entscheiden. Eine kleine Unachtsamkeit von ihm, und sein Tod würde Hunderte nach sich ziehen. Er hatte noch nie einen Kampf verloren, aber er hatte auch noch nie für ganze Reiche gekämpft. Während er nach außen hin ruhig wirkte, versuchte er, diese beklemmenden Gedanken schnellstens wieder zu verdrängen, um locker zu bleiben und nicht zu verkrampfen.
    Auch Camora hatte sich gut in der Hand, und sein Zorn über die Verspätung und den deutlich sichtbaren Verrat vieler eigener Krieger war nur an seinen schmalen Augen und den geballten Fäusten zu erkennen.
    Gideon war ausgewählt worden, um für alle Rassen und Völker verständlich zu erklären, was jetzt geschehen sollte. In verschiedenen Sprachen erläuterte er, dass dieser Kampf unweigerlich bis zum Tod eines der beiden Kämpfer geführt werden würde und den Krieg genauso unweigerlich beenden würde. Der Sieger müsste von allen als rechtmäßiger Großkönig anerkannt werden.
    Im Anschluss daran verbeugte er sich knapp vor Camora und dann vor Rhonan. »Mögen die Götter dir beistehen, mein Sohn«, bat er leise und setzte sich auf einen freien Platz.
    Unter den prüfenden Augen der Begleiter griff Camora sich Schwert und Schild, Rhonan wählte Schwert und eine kurze Axt. Die Waffen wurden von allen begutachtet, und die Begleiter der Kämpfer setzten sich ins Rund.
    »Das hast du gut gemacht«, raunte Morwena Canon zu.
    Der blinzelte sie an. »Danke für dein Lob, auch wenn es mir nur zur Hälfte gebührt. Dein Fastneffe scharrte gewaltig mit den Hufen und hat mich für verrückt erklärt, weil ich ihn aufgehalten habe. Aber dass die Krieger auf die Knie fallen, habe ich nicht angeordnet. Das war wohl ihr Dank dafür, dass Rhonan jetzt an ihrer Stelle kämpft.« Hoffentlich enttäuscht er sie nicht, setzte er in Gedanken hinzu. Seine Augen wanderten zum Kampfplatz.
    Der Schwarze Fürst und der Prinz standen sich jetzt gegenüber. Sie waren annähernd gleich groß, aber Camora brachte deutlich mehr Gewicht auf die Waage. Ein kurzer Gruß, und der Kampf begann. Langsam und vorsichtig umkreisten sich die Gegner, schätzten sich gegenseitig erst einmal ab. Finten wurden kaum beachtet, kleinere Vorstöße pariert.
    Um sie herum herrschte jetzt eine fast atemlose Stille. Weder die üblichen Anfeuerungsrufe noch Beifallsbekundungen waren zu hören. Zu wichtig war dieser Kampf, zu angespannt deswegen jeder Einzelne. Es gab wohl kaum einen Krieger, der nicht die Hände knetete oder stumme Gebete zu den Göttern schickte, denn zwei Männer, die, von ihrer Größe einmal abgesehen, kaum

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