Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
unterschiedlicher hätten sein können, entschieden jetzt über ihrer aller Zukunft.
Die Schwerter prallten aufeinander, verharrten wie aneinandergeklebt knisternd in der Luft, weil keiner seine Waffe zurückzog.
»Als du geboren wurdest, habe ich bereits viele Siege zu feiern gehabt«, prahlte Camora in herablassendem Ton.
Rhonans Augen blitzten, als er entgegnete: »Erwartest du deshalb Mitleid von mir? Du führst doch noch recht gut die Klingen. Du hättest dich eben nur schon etwas warmkämpfen sollen. Aber in deinem Alter zieht man wohl die Ruhe einer Schlacht vor.«
Sein Gegner nahm die Beleidigung mit einem Lächeln hin. »Warum kämpfst du eigentlich gegen mich? Erzähl mir nicht, dass der Scheiterhaufen dich nicht in deinen Träumen verfolgt? Hast du nicht nur deshalb Trost im Branntwein gesucht? Du könntest doch ohnehin nie nach da’Kandar zurückkehren. Für dich kann dort alles nur nach verbranntem Fleisch und Blut riechen.«
»Immer noch besser als der Gestank nach Verderbtheit, den du verbreitest! Hast du vorhin nicht hingesehen? Nicht einmal die Hälfte deiner Krieger steht auf deiner Seite. Selbst sie wollen aus deinem widerlichen Dunstkreis heraus.« Der Prinz ging jetzt zum schnelleren Angriff über, konnte aber keine Schwachstelle bei seinem Gegner ausmachen.
Gideon knetete seine eiskalten Hände und schloss immer wieder die Augen, nur um sie sofort wieder zu öffnen. Mit unglaublicher Kraft und Schnelligkeit wurden jetzt die Klingen gekreuzt. Es schien ein durchaus ausgeglichener Kampf zu sein. Geschickte Attacken und Finten wurden ein ums andere Mal genauso geschickt pariert. Wenn ein Kämpfer im Vorteil war, dann konnte er es zumindest nicht erkennen. Rhonan parierte gerade einen Schlag Camoras mit der Axt, erwischte den Fürsten mit dem Schwert an der linken Schulter und schlug das erste Blut.
Camora keuchte auf, taumelte kurz, fing sich aber sofort wieder und wehrte den nächsten Angriff mit dem Schild ab. Die Wucht des Schlages verbeulte ihn stark, aber fast unmittelbar danach sah Rhonan sich schon wieder in die Verteidigung gedrängt.
Eine unglaubliche Mattigkeit überkam ihn plötzlich, die seine Arme und Beine immer schwerer werden ließ. Es tat schon fast weh, auch nur das Schwert zu heben.
Der Schwarze Fürst lächelte siegessicher und reihte Attacke an Attacke, trieb seinen Gegner jetzt regelrecht vor sich her. Der strauchelte, und ein Schwertstreich erwischte ihn am rechten Unterarm. Mit Müh und Not parierte er den nächsten Schlag mit der Axt. Seine Umgebung verschwamm fast vor seinen Augen.
»Schon müde, Blondschopf? Zu emsig aufgewärmt?«, fragte Camora und zwinkerte boshaft. Endlich griff der Hexenmeister ein. Sein Sieg war zum Greifen nah.
Rhonan sah das Zwinkern und begriff sofort. Er kämpfte nicht nur gegen den Schwarzen Fürsten, hier war ein Zauber im Spiel, und den kannte er nicht einmal aus der Gosse. Er versuchte, sich dagegen zu sperren, wie er es auch bei den Nebelfrauen getan hatte, aber er schaffte es nicht.
»So viel zu einem Zweikampf«, knurrte er.
»Hast dich wohl doch etwas überschätzt«, höhnte sein Gegner leise, während ihre Klingen erneut aneinanderklebten. »Du bist vielleicht schnell auf den Füßen und recht geschickt, aber vieles lernt man eben erst mit den Jahren.«
Der Prinz schwieg. Was sollte er auch tun? Den Kampf abbrechen und eine Anklage erheben, die nicht zu beweisen war. Er hatte schon eine Schlacht hinter sich, seine Müdigkeit war damit leicht zu erklären. Ein Blick in Camoras siegesgewiss strahlende Augen sagte ihm genug. Entweder er gewann gegen ihn und seinen Hexer, oder er starb zusammen mit der Hoffnung der Freien Reiche und vor unzählig vielen, die jetzt auf ihn bauten. Nein, er würde nicht sterben, nicht er, der Sohn einer Unsterblichen, der geborene Kämpfer. Entschlossen kniff er die Augen zusammen und kämpfte weiter, versuchte, zumindest den Hagel der Attacken abzuwehren, der jetzt über ihn hereinbrach. Es würde sich eine Gelegenheit ergeben … es ergab sich immer eine Gelegenheit. Er musste nur wachsam sein und so lange durchhalten, bis sie endlich kam. Er atmete schneller, hatte mehr und mehr das Gefühl, schwere Gewichte an Armen und Beinen zu haben. Kahandar hätte ihm vielleicht helfen können, stand aber nicht zur Verfügung. Jetzt musste es Caitlin richten. Bei jeder Parade dachte er nur an seine Frau oder sein Kind. Auch sie musste er vor Camoras Hass schützen, seinen hämisch grinsenden
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