Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]
und dann können sich die Krieger darauf einrichten«, schlug die Hauptmännin vor.
»Ja, und wie?«, fragte die. »Versteh doch, Marga! Die Krieger können nicht gewinnen. Wie sollen sie gegen Feinde kämpfen, die sie nicht einmal sehen werden? Wie sollen sie sie mit Pfeilen treffen, wenn Priesterinnen ihre Schutzzauber weben?«
Unglücklich seufzte sie auf. »Ich hab es Canon in den letzten Tagen immer und immer wieder gesagt: Was sie vorhaben, kann nicht gelingen. Ihr kennt die Macht Ayalas und der Hohepriesterinnen nicht, aber Caitlin und ich, wir kennen sie. Wir hätten euch gleich sagen können, dass dies ein sinnloses Unterfangen ist und alle nichts außer ihrem Tod finden werden.«
Leise fügte sie hinzu: »Aber es hätte auch damals keiner auf uns gehört. Ayala hat sich klugerweise lange Jahre zurückgehalten, aber vielleicht könnt ihr euch noch aus Erzählungen oder Schriften daran erinnern, dass es früher oft die Nebelpriesterinnen waren, die eine Schlacht entschieden. Notfalls ist Ayala allein dazu imstande, eine Hundertschaft zu vernichten. Sie verfügt über ungemein große Kräfte.«
Eine Weile war es still, dann brachte Morwena mühsam heraus: »Der Krieg ist vorüber, überall herrscht Frieden. Es darf nicht sein, dass meine Söhne doch noch sterben.«
»Rhonan wird auch dort sein, und meine Mutter wird auch ihn töten, sobald sie hat, was sie will«, mischte sich Caitlin wieder ins Gespräch. »Aber ich bin ebenfalls stark und werde das nicht zulassen. Ich werde den Kriegern helfen.«
»Du willst allein gegen alle Priesterinnen antreten?«, wollte Hylia wissen und riss die Augen auf.
Ihre Freundin lächelte sie ein wenig verschmitzt an. »Aber nein, du wirst mich natürlich begleiten.«
Die Priesterin lachte freudlos. »Oh, ja, zu zweit sieht die Sache natürlich schon ganz anders aus. Ich will die Männer ja gern unterstützen, aber wie sollten wir ihnen denn nur helfen? Wir könnten doch noch nicht einmal einen wirksamen Schutzzauber für sie wirken.«
»Warum nicht?«, fragte Marga sofort verständnislos.
»Diese Zauber müssen sich verbinden können«, erklärte Hylia. »So wie Seile, die man sich zuwirft. Caitlin und ich, wir könnten unsere Zauber zu einer Linie verbinden und damit eine Schutzwand errichten. Da die Nebelfrauen wahrscheinlich von mehreren Seiten angreifen werden, bräuchten wir schon einen Flächenzauber, also vier, mindestens aber drei Priesterinnen.«
Sie sah, dass Marga verwirrt die Stirn runzelte, und fügte gedehnt hinzu, während sie mit dem Finger in die Luft malte: »Vier für ein Viereck, drei für ein Dreieck! Fläche statt Linie, verstehst du?«
Die Hauptmännin errötete und nickte.
Morwenas Blick wanderte zwischen Caitlin und Hylia hin und her. »So ein Flächenzauber wäre nicht schlecht, zumindest wären die Krieger dann nicht schutzlos den Angriffen ausgeliefert und könnten ihre eigenen Angriffe planen. Könnten sie sehen, woher die Zauber kommen?«
Caitlin nickte zögerlich. »Manchmal, aber nicht immer! Aber wir könnten sie auf alle Fälle spüren.«
»Und da wir uns mit Canon und Derea verständigen können, könnten wir sie vielleicht leiten«, spann die Priesterin den Faden weiter. »Aber trotzdem sind wir nur zu zweit.«
Gedankenverloren schwiegen wieder alle eine Zeitlang. Marga ersetzte seufzend eine niedergebrannte Kerze durch eine andere.
»Oder auch zu dritt«, murmelte die Königin plötzlich vor sich hin.
Die drei jüngeren Frauen starrten sie verblüfft an.
»Wir haben keine Priesterin hier«, gab Hylia schließlich zu bedenken.
»Eine Priesterin nicht, aber immer noch eine Hexe!«
Die Königin erntete jetzt lauter fassungslose Blicke.
»Oh, nein!«, empörte sich Hylia sofort und sprang von ihrem Stuhl auf. »Niemals würde ich mich in einer derartigen Lage auf diese Juna verlassen wollen. Die Götter mögen das verhüten. Lieber ziehe ich allein in die Schlacht.«
»Sie hat Derea und Caitlin das Leben gerettet. Ich denke, sie ist auf dem besten Wege, ein guter Mensch zu werden«, beharrte die Königin.
»Ein guter Mensch? Die weiß doch gar nicht, was das ist«, würgte Marga aufgebracht hervor. »Morwena, Ihr kennt sie nicht, aber wir haben …«
»Schweig! … Hylia, setz dich! Ich habe euch schon einmal gesagt, dass Menschen sich ändern können. Meine Söhne verfügen über gute Menschenkenntnis, und wenn Derea ihr vertraut hat, dann kann sie nicht von Grund auf schlecht sein. Ihr wolltet schon nicht, dass sie
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