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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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Beinen zu halten, und noch sehr viel mehr Mühe damit, seine Beherrschung nicht zu verlieren. Allein die Tatsache, dass Ayala sich weiterhin mit so viel Hingabe ihrer Aufgabe widmete, während sie die grässlichsten Neuigkeiten preisgab, trieb ihn zur Weißglut.
    Wenn sie seine Anspannung bemerkte, zeigte sie es nicht, als sie noch ein wenig Pulver in den Topf gab, zufrieden ihr Werk betrachtete, einen kleinen Schössling griff und dann fragte: »Habt Ihr schon einmal miterlebt, was geschieht, wenn Priesterinnen ihre Kräfte bündeln? Ich sage es Euch: Körper zerplatzen, Menschen verglühen oder erstarren zu Eis. Juna hat Euch ansatzweise gezeigt, über welche Kräfte wir verfügen, und sie hat sich zurückgehalten, weil Ihr damals ja noch nicht sterben solltet. Stellt Euch nun das Ganze jetzt zwanzigfach stärker vor, und Ihr müsstet erahnen, dass keine Armee uns standhalten kann. Wir müssen nicht einmal aus unserer Deckung herauskommen, um Gegner zu töten. Es wird daher eine sehr einseitige Schlacht werden. Will sagen, auf der einen Seite wird gezaubert, auf der anderen Seite wird gestorben. Und wenn endlich alle gestorben sind, denen ich dieses Schicksal zugedacht habe, werden wir zwei zur Quelle gehen.«
    Rhonan überlief es heiß und kalt. Neben Ayala war selbst Camora nur ein armseliger Wicht gewesen.
    »Was macht Euch glauben, dass ich Euch in diesem Fall noch den Weg zur Quelle öffnen würde?«, fragte er mit heiserer Stimme. »Sobald das getan ist, werdet Ihr mich doch ohnehin töten.«
    Ayala betrachtete ihr eingetopftes Bäumchen. »Schön, nicht wahr? Es ist eine eigene Züchtung, eine Kreuzung aus Blutbuche und Schwarzweide, und ich hoffe, dass sie nächstes Jahr um diese Zeit die ersten Blüten tragen wird. Ich muss mir noch einen Namen ausdenken. Soll ich sie Euch zu Ehren nach Euch benennen?«
    Er erwiderte nichts, und sie warf ihm einen versonnenen Blick zu. »Das ist Euch gleichgültig? Ihr habt nie darüber nachgedacht, wie wunderbar es ist, der Nachwelt etwas Bleibendes zu hinterlassen und allein dadurch nie in Vergessenheit zu geraten? Schade, aber nun gut! Wovon sprachen wir gerade? Ach, von Eurem Tod, wenn ich mich richtig erinnere. Ja, ich denke, ich werde Euch töten, aber davon seid Ihr ausgegangen, als Ihr hier ankamt, oder? Wir waren beide unehrlich zueinander. Denn Ihr hattet auch nie vor, mir den Weg zur Quelle zu öffnen.«
    Sie stellte die Pflanze auf einen Tisch nahe den Fenstern, rückte sie hin und her, bis sie ihrer Ansicht nach im rechten Licht stand, und kam dann mit einem kalten Lächeln auf ihn zu, bis sie dicht vor ihm stand. »Aber ich denke, diesbezüglich werdet Ihr noch anderen Sinnes. Wenn Ihr wieder in Euer Verlies geht, denkt über Folgendes nach: Eure Frau lag im Sterben, und weder der Weise noch die abtrünnige Priesterin konnte ihr helfen. Was glaubt Ihr, wen man letztlich zu ihrer Heilung holte? Ausgerechnet Juna!«
    Sie lachte schallend auf. »Oh, schaut doch nicht so entsetzt. Meine Zauberin der Nacht ist auf vielen Gebieten begabt. Sie gibt sich Mühe, und Caitlin wird wieder erwachen. Dann allerdings wird sie neben ihrem Kind auch noch einen Zauber in sich tragen. Juna wird sie mit seiner Hilfe quälen, verletzen oder töten können, ohne auch nur in ihre Nähe kommen zu müssen. Solltet Ihr den Wunsch haben, Eure Frau davor zu schützen, werdet Ihr tun müssen, was immer ich Euch auch befehle.«
    Erneut lachte sie auf. »Ich sehe es Euch an: Ihr überlegt, ob Ihr Kahandar rufen sollt, um mich zu töten? Es würde Euch nicht gelingen. Ich wäre nur sehr ungehalten. Liefert mir den kleinsten Grund zur Beschwerde, und Juna wird Eurer geliebten Frau einen kleinen Gruß von Euch schicken: einen Krampf vielleicht oder eine Schmerzwelle. Caitlin ist ja schwanger, da geschieht das hin und wieder. Betrüblich, aber nicht weiter verwunderlich. Euer Liebchen ist ganz in der Hand meiner Juna, und das heißt wiederum, Ihr seid in meiner Hand.«
    Rhonan blickte die schöne Frau an, deren Haarfarbe und Augen ihn so sehr an Caitlin erinnerten, ballte in hilflosem Zorn die Fäuste und glaubte, kaum noch atmen zu können. »Ihr werdet doch auch Caitlin niemals am Leben lassen«, entgegnete er tonlos.
    Ayala ging zu ihrer neu angepflanzten Züchtung und verschob den Topf. »Ich glaube nicht, dass zu viel Sonnenlicht gut ist. Halbschatten dürfte besser sein. Halbschatten und viel Feuchtigkeit!«
    Dann wandte sie wieder den Blick. »Wir sind an einem Punkt angekommen, da wir

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