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Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe]

Titel: Das Vierte Siegel [Gesamtausgabe] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
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aber ich bin mit meinem Leben zufrieden.«
    »Und das reicht dir?«
    »Ja! Was sollte ich sonst noch wollen?«
    »Du vielleicht nichts! Aber was ist mit deiner Familie? Was ist mit deinem Volk?«
    Diesmal zog nichts an seinem geistigen Auge vorüber, gar nichts! Er wollte etwas sagen, spürte einen Kloß im Hals und fand keine Worte. So ließ er die Fragen nach Familie und Volk einfach unbeantwortet und kehrte zum ursprünglichen Gespräch zurück: »Nehmen wir einmal an, ich würde dieser Prophezeiung sogar Glauben schenken. Was, zum Henker, sollte ich dann im Wintergebirge suchen?«
    In Gideon stieg leichte Hitze auf. Er nahm an, dass sein Gesicht sich rötete. So bestimmt wie möglich antwortete er: »Wir müssen die Wintergöttin aufsuchen. Sie wird uns den Weg weisen.«
    »Was?« Rhonan kratzte sich am Kopf. »Den Weg zum Wolkengebirge kenne ich, und der führt nicht durchs Wintergebirge.«
    »Es ist wohl mehr an eine grundlegende Unterweisung gedacht.«
    »Eine richtige Göttin will uns unterweisen? Eine Göttin noch dazu, die nicht etwa in der Götterhalle thront, sondern einsam auf einem Berg haust? Oh Mann! Wer hat dir bloß diesen Blödsinn erzählt?« Der Prinz schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Je näher du Kairan kommst, desto tiefer scheint der Nordstern zu stehen. Sind die Nächte klar, sieht es hier so aus, als berührten sich der höchste Berg des Wintergebirges und der Stern. Deshalb trägt er den Namen Göttergipfel! Da wohnt nicht wirklich eine Göttin. Du musst …«
    »Was denkst du denn, warum wir hier sind?«, unterbrach Gideon barsch. »Weil wir die Vorliebe für Kälte und Gefahren teilen? Wir Verianer vertrauen der Weisheit und Führung unserer Schutzheiligen. Die große Dala selbst wies mir den Weg, und der führte mich zunächst zur Prinzessin und dann zu dir. Denkst du, es war purer Zufall, der mich unter zigtausend Menschen geradewegs zu euch beiden geführt hat? Wie viele Menschen suchten dich schon ohne Erfolg? Ich war ja selbst ein Zweifler, glaubte, du müsstest tot sein, wurde aber eines Besseren belehrt. Wenn der erste Teil der Weisung entgegen meiner Erwartung gemeistert werden konnte, wird das auch beim zweiten Teil der Fall sein. Nun erwartet uns die Wintergöttin. Die heilige Dala ist um ein Vielfaches weiser als ich. Ich schäme mich, ihre Worte jemals angezweifelt zu haben.« Mit funkelnden Augen sah er Rhonan an. »Ich bin belehrt worden, und ich bin kein Narr. Behandle mich also nicht wie einen!«
    Rhonan sah ihn eine ganze Weile schweigend an, nickte schließlich und antwortete mit leiser Stimme: »Deine Schutzheilige hätte besser daran getan, dich zu einer Armee zu führen. Weißt du, ich bin kein schlechter Kämpfer und lange Wanderungen gewöhnt, aber um euch auf den Göttergipfel zu bringen, reichen meine Kräfte nicht aus: Schneestürme und Kälte, die einem das Blut gefrieren lässt, kein Dorf weit und breit, nur hoher Schnee! Ein Tag ohne Nahrung ist dort das kleinste Übel. Schon mal von den Schneewölfen gehört oder den Horkas? Schneewölfe greifen nur im Rudel an. Ein einzelner Kämpfer kann dagegen nicht viel ausrichten. Bei den Horkas ist es genauso. Die machen sich nicht einmal die Mühe, ihre Opfer gleich zu töten. Manchmal reißen sie nur die Arme heraus, damit ihre Wegzehrung frisch bleibt bis zur nächsten Mahlzeit. Das Wintergebirge ist schon ohne seine Bewohner kaum zu bewältigen. Triffst du auf die, ist das das Ende deiner Reise. Ich glaube weder an Prophezeiungen noch an Götter, und schon gar nicht an eine Göttin, die auf einem kalten Berg wohnt. Ich handle, wie es mir die Vernunft gebietet. Ich werde also nicht dorthin gehen.«
    »Ich will da auch nicht hin«, schloss Caitlin sich an. »Auf keinen Fall!«
    Beide Männer fuhren herum, denn sie hatten nicht bemerkt, dass die Prinzessin erwacht war. Die setzte sich auf, ordnete kurz ihr Haar, legte die gefalteten Hände in die Felldecken und erklärte mit ruhiger Stimme: »Niemand kann das von mir verlangen. Wenn das mein Schicksal sein soll, weigere ich mich, es anzunehmen. Ich wünsche, nach Hause gebracht zu werden. Ich habe nicht gewusst, dass die mir aufgetragene Aufgabe so beschwerlich und gefährlich sein würde, sonst wäre ich gar nicht erst aufgebrochen. Ich bin keine jammernde Hexe, aber ich lasse mich auf keinen Fall von diesem … diesem …«
    »Ungehobelten Krüppel«, half Rhonan ohne sichtbare Regung aus.
    Caitlin warf ihm einen giftigen Blick zu. »Ja, genau! Ich

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