Das wahre Wesen der Dinge (German Edition)
Reihenfolge auf. Er runzelt die Stirn und beginnt, etwas in meine Patientendatei zu tippen.
Ich sitze auf der psychiatrischen Station in einem der Untersuchungszimmer vor einem Terminal; das ist der nächstgelegene Ort, an dem Dr. Hooper ein paar Intelligenztests auftreiben konnte. In einer Wand ist ein kleiner Spiegel eingelassen, vermutlich befindet sich dahinter eine Videokamera. Für den Fall, dass sie gerade aufnimmt, lächele ich in ihre Richtung und winke kurz. Bei den versteckten Kameras in den Geldautomaten mache ich das auch immer.
Dr. Hooper kommt mit einem Ausdruck meiner Testergebnisse herein. »Also, Leon. Ihr Ergebnis ist … sehr gut. Bei beiden Tests lagen Sie auf dem neunundneunzigsten Perzentil.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. »Das ist doch wohl ein Witz.«
»Nein.« Er kann es selbst kaum glauben. »Also, diese Zahl sagt nichts darüber aus, wie viele Fragen Sie richtig beantwortet haben. Es bedeutet, dass Sie im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung …«
»Ich weiß, was es bedeutet«, sage ich zerstreut. »Beim Test an der Highschool war ich auf dem siebzigsten Perzentil.« Neunundneunzigstes Perzentil. Innerlich suche ich nach irgendwelchen Anzeichen. Wie fühlt sich so etwas an?
Er setzt sich an den Tisch und betrachtet dabei immer noch den Ausdruck. »Sie waren nie auf dem College, oder?«
Ich konzentriere mich wieder auf ihn. »Doch, schon, aber ich habe abgebrochen. Ich hatte von Bildung eine andere Vorstellung als die Dozenten.«
»Aha.« Wahrscheinlich denkt er, dass ich durchgefallen bin. »Nun, offensichtlich haben Sie gewaltige Fortschritte gemacht. Zu einem kleinen Teil kann das vielleicht von allein geschehen sein, während Sie älter wurden, aber größtenteils dürfte es ein Ergebnis der Hormon-K-Therapie sein.«
»Das ist ja eine tolle Nebenwirkung.«
»Freuen Sie sich nicht zu früh. Die Testergebnisse sagen nichts über Ihre Leistungen im realen Leben.« Ich verdrehe die Augen, als Dr. Hooper gerade nicht hinsieht. Da passiert etwas Unglaubliches, und alles, was ihm dazu einfällt, sind Binsenweisheiten. »Ich würde gern noch ein paar Tests durchführen. Können Sie morgen herkommen?«
Ich bin gerade dabei, eine Holografie zu retuschieren, als das Telefon klingelt. Ich schwanke zwischen Telefon und Konsole und entscheide mich widerwillig für das Telefon. Während der Bildbearbeitung lasse ich normalerweise den Anrufbeantworter rangehen, aber die Leute sollen erfahren, dass ich wieder arbeite. Durch meinen Krankenhausaufenthalt habe ich viele Kunden verloren – eines der Risiken, wenn man Freiberufler ist. Ich berühre das Telefon und sage: »Holografie Greco, Leon Greco am Apparat.«
»Hey Leon, hier ist Jerry . «
»Hi Jerry. Was gibt’s?« Ich betrachte immer noch das Bild auf dem Monitor: zwei ineinander verzahnte, spiralförmige Gebilde. Eine abgedroschene Metapher für konstruktive Zusammenarbeit, aber genau das wollte der Kunde für die Anzeige.
»Hast du Lust, heute Abend ins Kino zu gehen? Sue, Tori und ich schauen uns Metal Eyes an.«
»Heute Abend? Da kann ich nicht. Heute ist die letzte Vorstellung dieser Eine-Frau-Show im Hanning-Theater.« Die Zahnräder sehen zerkratzt und schmierig aus. Mit dem Cursor markiere ich sie und gebe die Werte ein, die ich anpassen will.
»Was ist das?«
»Es heißt Symplektisch und ist ein in Versen gehaltener Monolog.« Jetzt verändere ich die Helligkeit, damit die Schatten dort, wo die Zahnräder ineinandergreifen, ein bisschen heller werden. »Wollt ihr nicht mitkommen?«
»Ist das so was wie die Monologe bei Shakespeare?«
Zu stark: Mit diesem Helligkeitsgrad wird der äußere Rand zu grell. Ich lege eine Obergrenze für die Intensität der Lichtreflexe fest. »Nein, es ist als Bewusstseinsstrom geschrieben und wechselt zwischen vier verschiedenen Metren hin und her. Das jambische Versmaß ist nur eines davon. Die Kritiker sagen, es sei eine Tour de Force .«
»Ich wusste gar nicht, dass du auf Gedichte stehst.«
Nachdem ich alle Zahlen noch einmal überprüft habe, lasse ich den Computer das Interferenzmuster neu berechnen. »Sonst eher nicht, aber das scheint wirklich interessant zu sein. Wie wär’s?«
»Danke, aber ich glaube, wir bleiben bei dem Film.«
»Okay, dann viel Spaß. Vielleicht können wir uns ja nächste Woche mal treffen.« Wir verabschieden uns, legen auf, und ich warte darauf, dass der Computer zu Ende rechnet.
Plötzlich geht mir auf, was gerade passiert ist. Ich habe bei der
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