Das Schlimmste kommt noch oder Fast eine Jugend
Charles Bukowski
Das Schlimmste kommt noch
oder
Fast eine Jugend
Roman
Deutsch von Carl Weissner
Das Buch
Henry Chinaski (alias Bukowski) gehört nicht zu den Privilegierten Amerikas. Sein Vater verlässt zwar jeden Morgen pünktlich das Haus, aber nur damit die Nachbarn nicht merken, dass er arbeitslos ist. In der Schule ist Henry »der Deutsche«, der die Fäuste oben halten muss, wenn die Altersgenossen über ihn herfallen. Er darf nicht zurückstehen, wenn die anderen prahlen, sie hätten »es« schon mal mit Weibern gemacht, und er weiß: Er wird sich ein Leben lang als ungeliebter Außenseiter durchschlagen müssen. Alle, die Bukowski nur als »dirty old man« kannten, waren von diesem Roman überrascht. »Was sich in den Romanen und Erzählungen als autobiographisches Skelett abzeichnete«, schrieb Helmut Winter in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung<, »wird nun — vorzüglich übersetzt von Carl Weissner - in einer Weise mit Fleisch und Blut aufgefüllt, dass man versucht ist, von einem >neuen< Bukowski zu sprechen.«
Der Autor
Charles Bukowski, am 16. August 1920 in Andernach geboren, lebt seit seinem 2. Lebensjahr in
Los Angeles. Einige Werke: > Aufzeichnungen eines Außenseiten
(1970), >Das ausbruchsichere Paradies< (1973), >Gedichte die einer schrieb bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang<, >Der Mann mit der Ledertasche< (1974), >Faktotum< (1977), >Das Liebesleben der Hyäne< (1980), >Gedichte vom südlichen Ende der Couch<, >Flinke Killer< (1984), >Nicht mit sechzig, Honey< (1986), >Hollywood< (1990), >Jeder zahlt drauf< (1993).
Von Charles Bukowski sind im Deutschen Taschenbuch Verlag erschienen:
Gedichte die einer schrieb bevor er im 8. Stockwerk aus dem Fenster sprang (1653) Faktotum (10104) Pittsburgh Phil & Co. (10156) Ein Profi (10188) Gedichte vom südlichen Ende der Couch (10581) Flinke Killer (10759) Das Liebesleben der Hyäne (11049) Pacific Telephone (11327) Hot Water Music (11462) Western Avenue (11541) Hollywood (11552) Die Girls im grünen Hotel (11731) Roter Mercedes (11780) Der Mann mit der Ledertasche (11878)
Neeli Cherkovski: Das Leben des Charles Bukowski
Ungekürzte Ausgabe März 1986
9. Auflage Juni 1994
Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München ©1982 Charles Bukowski Titel der amerikanischen Originalausgabe: >Ham on Rye< ©1983 der deutschsprachigen Ausgabe: Carl Hanser Verlag, München • Wien ISBN 3-466-13853-6 Umschlaggestaltung: Celestino Piatti Gesamtherstellung: C. H. Beck’sche Buchdruckerei, Nördlingen Printed in Germany • ISBN 3-423-10538-0
Für alle Väter
1
Meine erste Erinnerung ist, dass ich unter etwas
war. Es war ein Tisch, ich sah ein Tischbein, die Beine von Menschen
und ein Stück herabhängendes Tischtuch. Es war dämmrig
unter dem Tisch, und es gefiel mir dort. Es muss noch in Deutschland
gewesen sein, ungefähr im Sommer 1922, als ich knapp zwei Jahre
alt war. Ich fühlte mich gut unter diesem Tisch. Niemand schien zu
wissen, dass ich da unten saß. Ein Streifen Sonne fiel auf den
Teppich und die Beine der Menschen. Ich mochte das Sonnenlicht. Die
Beine der Menschen waren nicht interessant, nicht so wie das Tischbein,
das Stück Tischtuch, das herunterhing, und das Sonnenlicht.
Danach eine Weile nichts mehr. Dann — ein
Christbaum. Kerzen. Vögel aus Glanzpapier, jeder mit einem kleinen
Mistelzweig im Schnabel. Ein Stern. Zwei große Leute, die sich
anschrien und aufeinander einschlugen. Menschen, die aßen. Immer
Menschen, die aßen. Ich bekam auch zu essen, doch mein
Löffel war so gebogen, dass ich ihn in die rechte Hand nehmen
musste, wenn ich etwas essen wollte. Wenn ich ihn in die linke Hand
nahm, bog er sich von meinem Mund weg. Ich wollte ihn trotzdem immer
wieder in die linke Hand nehmen. Zwei Erwachsene waren da. Der
größere von beiden hatte derbes, lockiges Haar, eine
große Nase, einen großen Mund und buschige Augenbrauen. Er
schien immer wütend zu sein und schrie oft herum. Die kleinere
Person war still und hatte ein blasses rundes Gesicht mit großen
Augen. Ich fürchtete mich vor beiden.
Manchmal war noch eine dritte Person da. Sie war
sehr dick und trug Kleider mit einer Halskrause aus Spitze. Sie steckte
sich immer eine große Brosche an, und im Gesicht hatte sie
zahlreiche Warzen, aus denen kleine Haare sprossen. »Emily«
wurde sie von den beiden anderen genannt. Sie war die Großmutter,
die Mutter meines Vaters. Zu meinem Vater sagte sie »Henry«
und zu meiner Mutter
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