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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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»und richte das Schiff nach Norden aus.«
    Es war ihnen nicht aufgefallen, dass inzwischen der Morgen graute. Doch als Coll und die Männer der Südfeste sich beeilten, ihren Anweisungen zu folgen, schoss hinter ihnen die Sonne aus dem Meer.
    Dann befand sie sich rechts von ihnen, nachdem Coll aus Taerlindel sein Schiff unter Mühen gewendet hatte, direkt gegen den kräftigen Nordwind. Loren hatte sich unter Deck begeben. Als er wieder erschien, war er in jenen Umhang mit den sich verschmelzenden Silbertönen gekleidet, der ihm seinen Namen eingebracht hatte. Hochgewachsen und ernst, schritt er, dessen Stunde nun geschlagen hatte, die seine und endlich auch die von Matt, schritt er also zum Bug der Prydwen, und er trug den Zauberstab von Amairgen Weißast. Neben ihm ging ebenso ernst und ebenso stolz Matt Sören einher, der einst unter dem Banir Lök König gewesen war und dieser Bestimmung entsagt hatte für jene, die ihn hierher geführt.
    » Cenolan !« rief Loren. Er streckte den Stab geradeaus vor. » Sed amairgen, sed remagan, den sedath iren! « Er schleuderte seine Worte hinaus über die Wogen, und sie waren von Macht durchströmt wie eine Welle, die größer war als sie alle. Paul hörte ein Dröhnen, ein Brausen von Winden, die aus sämtlichen Richtungen des Meeres zu kommen schienen. Sie umwehten die Prydwen, wie vormals Liranans Strudel an ihnen vorbeigezogen war, und einen Augenblick später sah Paul, dass sie über ein windloses Meer segelten, gänzlich still, wie Glas, während zu allen Seiten die entfesselten Winde tobten.
    Und vor ihnen, nicht sonderlich weit entfernt, erleuchtet von der Morgensonne, lag eine Insel, gekrönt von einer Burg, und diese Insel drehte sich langsam im gläsernen Meer. Die Fenster der Burg waren allesamt beschmutzt und verschmiert, und das gleiche galt auch für ihre Mauern.
    »Einstmals glänzte sie«, erinnerte sich Arthur betont ruhig.
    Vom höchsten Punkt der Burg stieg eine schwarze Rauchwolke gerade wie ein Pfahl in den Himmel auf. Die Insel war felsig und bar jeglicher Vegetation.
    »Einstmals war sie grün«, berichtete Arthur. »Cavall!«
    Der Hund hatte zu knurren begonnen und mit gefletschten Zähnen vorausgespäht. Er beruhigte sich, als Arthur zu ihm sprach.
    Loren rührte sich nicht. Starr streckte er den Stab vor sich aus.
    Es gab keine Wachen. Der Seelenverkäufer war Schutz genug gewesen. Als sie herankamen, hörte die Drehbewegung der Insel auf. Paul nahm an, dass sie sich jetzt mit ihr drehten, doch er hatte keine Ahnung, wo sie sich befanden. Jedenfalls nicht in Fionavar, das wenigstens hatte er begriffen.
    Coll befahl, die Anker über Bord zu werfen.
    Loren ließ den Arm sinken. Er sah Matt an. Der Zwerg nickte einmal kurz, dann suchte er sich eine Stelle, wo er sich niederlassen konnte. Sie trieben einhundert Meter von Cader Sedat entfernt in der windstillen See.
    »Also gut«, sagte Loren Silbermantel. »Diarmuid, Arthur, es ist mir gleich, wie ihr es anfangt, aber ich benötige Folgendes … .«
     
    Es ist ein Ort des Todes, hatte Arthur zu ihm gesagt. Als sie näher kamen, wurde Paul klar, dass dies wörtlich gemeint gewesen war. Die Burg erweckte den Eindruck eines Grabdenkmals. Schon die Türen – es waren vier, hatte Arthur berichtet – waren in den Hang der grauen Erhebung eingelassen, aus der sich Cader Sedat erhob. Die Mauern ragten hoch auf, doch der Zugang führte hinab unter die Oberfläche.
    Sie standen vor einer der mächtigen Eisentüren, und zum ersten Mal sah Paul Diarmuid zögern. Loren und Matt waren einen anderen Weg gegangen, zu einer anderen Tür. Nirgendwo waren Wachtposten zu sehen. Die tiefe Stille war beunruhigend. Nichts Lebendiges hielt sich in der Nähe dieses Ortes auf, stellte Paul fest, und er fürchtete sich.
    »Die Tür wird sich von allein öffnen«, kündigte Arthur gelassen an. »Wieder hinauszugelangen dürfte weit schwerer sein.«
    Da lächelte Diarmuid. Er schien noch etwas sagen zu wollen, doch stattdessen trat er vor und drückte gegen die Eingangstür nach Cader Sedat. Sie öffnete sich geräuschlos. Er trat einen Schritt beiseite und bedeutete Arthur mit einer Handbewegung, sie zu führen. Der Krieger zog sein Schwert und ging hinein. Vierzig Mann folgten ihm aus dem Sonnenlicht in die Finsternis.
    Es war sehr kalt, selbst Paul spürte das. Diese Kühle überstieg selbst Mörnirs Kräfte, und er war gegen sie nicht unempfindlich. Die Toten, dachte Paul, und dann kam ihm noch ein Gedanke: Wo sie sich jetzt

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