Das wandernde Feuer
etwas sagen oder ihm einen Gedanken senden konnte, hatte sich das Bewusstsein des Schamanen von dem seinen gelöst. Wie weit, dachte Paul. Wie weit ist er gekommen. Und wie weit muss er zurück.
Dann war er wieder auf dem Schiff und beobachtete mit eigenen Augen, undeutlich im Licht des Halbmondes, wie der Seelenverkäufer Maugrims mit Liranan kämpfte, dem Gott des Meeres. Und die ganze Zeit über hörte das Singen niemals auf.
Loren hatte den Schutzschild fallen gelassen. Matt lag auf den Decksplanken. Coll am Ruder mühte sich ab, die Prydwen durch die Wellentäler und -kämme zu steuern, welche die Titanen vor ihnen auf der Steuerbordseite erzeugten. Paul sah einen Mann über Bord gehen, als sich das Schiff im schäumenden Meer aufbäumte wie ein Pferd.
Der Gott war in seiner wahren Gestalt zum Kampf angetreten, in seinem schimmernden Wassergewand, und er konnte emporfliegen wie eine Welle, er konnte einen Strudel unten im Meer hervorrufen, und er tat beides.
Mittels einer Kraft, die Paul kaum fassen konnte, tat sich mitten im Meer plötzlich ein Abgrund auf. Die Prydwen hüpfte und schaukelte mit heftig knarrenden Spanten direkt an seinem Rande entlang. Er sah den Strudel immer schneller herumwirbeln, und während seine Heftigkeit zunahm, erkannte er, dass selbst der riesige Leib des Seelenverkäufers dem Sog des aufgewühlten Meeres nicht standhalten konnte.
Das Ungeheuer wurde hinabgerissen. Die Schlacht würde in der Tiefe fortgesetzt werden, und Paul wusste, dass dies um ihretwillen geschah. Er beobachtete den Gott, der strahlend und schimmernd über ihm auf einer hohen Welle schwebte, während er den wirbelnden Sog erzeugte, um seinen Gegner unter die Meeresoberfläche zu ziehen.
Der schaumbedeckte, schleimige Kopf des Seelenverkäufers versank. Er war beinahe so groß wie das ganze Schiff, stellte Paul fest. Er erblickte aus nächster Nähe die riesigen, lidlosen Augen, die mannshohen Zähne, wütend entblößt.
Er sah Diarmuid dan Ailell vom Deck der Prydwen auf die flache Stirn des Ungeheuers springen. Er hörte Coll aufschreien. Das Singen umgab sie von allen Seiten, übertönte selbst das Rauschen des Meeres. Mit ungläubigem Blick beobachtete er, wie der Prinz ausglitt, nach Halt suchte, dann vortaumelte, bis er genau zwischen den Augen des Seelenverkäufers stand, und dann, mit einem einzigen kraftvollen Ziehen, das weiße Horn aus seinem Schädel riss.
Dieses Ziehen ließ ihn das Gleichgewicht verlieren. Paul sah das Ungeheuer versinken, sah, wie sich die Wasser über ihm schlossen. Diarmuid drehte sich im Fallen und sprang, sich zusammenkrümmend, in Richtung der Prydwen.
Und fing mit einer Hand das Tau, das Arthur Pendragon ihm zugeworfen hatte.
Gegen den Sog der sich schließenden Wasser zogen sie ihn an Bord. Paul wandte sich gerade noch rechtzeitig um, um Liranan zu erblicken, der nun die Welle in sich zusammenfallen ließ, auf der er sich gehalten hatte, und hinter dem Untier hertauchte, das er nun bekämpfen durfte, weil man ihn angerufen und einem fremden Willen unterworfen hatte.
Das Singen hörte auf.
Tausend Jahre, dachte Paul mit wehem Herzen. Seit Rakoth Cader Sedat zum ersten Mal beim Bael Rangat für seine Zwecke eingesetzt hatte. Tausend Jahre hatte der Seelenverkäufer in den Tiefen des Ozeans gelauert, ohne dass ihn jemand hätte bekämpfen können. So riesig, dass er unbesiegbar war.
Paul lag auf den Knien und weinte um die eingefangenen Seelen. Um die Stimmen all der herrlichen Lios Alfar, die ihrem Lied folgend in See gestochen waren, um eine Welt zu finden, die der Weber für sie allein geschaffen hatte.
Nicht einer unter ihnen konnte je dort angekommen sein, das wusste er jetzt. Seit tausend Jahren waren die Lios aufgebrochen, einzeln und zu zweit, hinaus aufs mondlose Meer.
Und waren dem Seelenverkäufer Maugrims begegnet. Und waren seine Stimme geworden.
Der Finsternis am meisten verhaßt, denn ihr Name war Licht.
Lange Zeit weinte er, dessen trockene Augen einst soviel Leid verursacht hatten und dann später zu Regen geworden waren. Nach einiger Zeit wurde er darauf aufmerksam, dass um ihn herum eine Art Licht leuchtete, und er sah auf. Er war sehr schwach, doch Coll half ihm auf der einen Seite und Diarmuid, der ein wenig hinkte, auf der anderen.
Sämtliche Männer der Prydwen – einschließlich Matt, sah er – waren auf der Steuerbordseite versammelt. Sie machten ihm in respektvollem Schweigen Platz. Als er an die Reling trat, erblickte Paul Liranan,
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