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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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den Baelrath hoch und vollzog mit Arthur Pendragon, dem Schuldigen Krieger, den Übergang nach Fionavar und in den Krieg.



 
Kapitel 4
     
    Ruana versuchte den Weihegesang anzustimmen, doch er klang dünn, denn außer Iraima konnte ihn niemand dabei unterstützen. Es bestand kaum Hoffnung, dass er weit genug tragen würde, um gehört zu werden, doch er wusste nicht, was er sonst hätte tun sollen. Daher lag er im Dunkeln, lauschte dem Sterben der anderen um ihn herum und sang ein ums andere Mal das Warnlied und das Rettungslied. Iraima half, wann immer sie konnte, doch sie war sehr schwach.
    Am Morgen stellten sie fest, dass Kael verstorben war, und er wurde nach draußen geschafft und gefressen. Danach verbrannten sie seine Knochen zum Schutz vor der bitteren Kälte. Ruana hustete vom Rauch, der aus dem Scheiterhaufen herüberwehte. Er war vor dem Höhleneingang errichtet worden, damit ihnen das Atmen schwer wurde. Er hörte Iraima husten. Töten würden sie sie nicht, das wusste er, aus Furcht vor dem Fluch des Blutes, aber sie hatten nun schon lange nichts mehr zu essen erhalten und waren gezwungen worden, den Rauch ihrer Brüder und Schwestern einzuatmen. Ruana fragte sich ohne jede Gefühlsregung, wie es wohl sein mochte, wenn man Hass oder Wut empfand. Dann schloss er die Augen, wie es sich geziemte, und sang einmal die Tanora für Kael. Dann begann er aufs Neue abwechselnd mit den beiden anderen Gesängen, dem Warnlied und dem Rettungslied, ein ums andere Mal. Hin und wieder stimmte Iraima mit ein und Ikatere auch, aber meist sang Ruana ganz allein.
     
    Über das grüne Gras stiegen sie den Atronel hinauf, und die Fürsten aller drei Siegel versammelten sich vor Ra-Tenniel. Nur Brendel fehlte, er hielt sich im Süden auf, in Paras Derval, daher wurde das Falkensiegel von Heilyn vertreten. Galen und Lydan, die Zwillinge, sprachen für das Breinsiegel, und die liebreizende Leyse für den Schwan, und sie war ganz in Weiß gekleidet, wie es die vom Schwanensiegel immer waren, zum Andenken Lauriels. Enroth, Ältester, seit Laien Speerkind seinem Lied gefolgt war, hatte sich ebenfalls eingefunden, ohne Siegel und allen Siegeln zugehörig, wie es allein dem Ältesten und dem König zukam.
    Ra-Tenniel brachte den Thron dazu, leuchtend blau zu schimmern, und die grimmige Galen lächelte, während ihr Bruder mit einem Stirnrunzeln darauf reagierte.
    Leyse bot dem König eine Blume dar. »Vom Ufer des Celyn«, murmelte sie. »Dort befindet sich ein lieblicher Hain mit silbernen und roten Sylvain.«
    »Ich verspüre den Wunsch, mit dir zu gehen und sie zu sehen«, erwiderte Ra Tenniel.
    Leyse lächelte ausweichend. »Sollen wir heute Abend die Himmel öffnen, Strahlendster Herrscher?«
    Er ging auf ihre Ablenkung ein. Diesmal lächelte Lydan.
    »Das sollten wir tun«, stimmte Ra-Tenniel zu. »Na-Enroth?«
    »Der Plan ist gewoben«, murmelte der Älteste. »Wir werden versuchen, ihn aus Starkadh hervorzulocken.«
    »Und wenn uns das gelungen ist«, fragte Lydan.
    »Dann ziehen wir in die Schlacht«, entgegnete Ra Tenniel. »Wenn wir dagegen warten, oder wenn der Finstere wartet, wie er vorzuhaben scheint, dann sterben unsere Verbündeten vielleicht noch während dieses Winters, ehe Maugrim uns angreift.«
    Nun meldete Heilyn sich das erste Mal zu Wort. »Dann hat er den Winter hervorgerufen? Das ist erwiesen?«
    »Es ist erwiesen«, erwiderte Enroth. »Und noch eines ist erwiesen. Vor zwei Nächten hat der Baelrath geleuchtet. Nicht hier, aber geleuchtet hat er.«
    Da kam Bewegung in die Versammlung. »Die Seherin?« wollte Leyse wissen. »In ihrer Welt?«
    »Es sieht ganz danach aus«, bestätigte Enroth. »Ein neuer Faden spannt sich über den Webstuhl.«
    »Oder ein sehr alter«, ergänzte Ra Tenniel, und der Älteste neigte den Kopf.
    »Worauf warten wir dann noch?« rief Galen. Ihre volle Gesangsstimme teilte sich den anderen mit, dort auf den Hängen des Atronel. Ein Raunen wie Musik erhob sich unter den sechsen, die den Thron umringten.
    »Das tun wir nicht, sobald wir uns einig sind«, antwortete Ra Tenniel. »Ist es nicht bittere Ironie, dass wir alle, die wir nach dem Licht benannt sind, seit tausend Jahren gezwungen werden, unser Land in Schatten zu hüllen? Warum soll Daniloth das Schattenland heißen? Habt ihr nicht auch den Wunsch, die Sterne über dem Atronel leuchten zu sehen und ihnen euer eigenes Licht entgegenzuschicken?«
    Die Musik der Zustimmung und der Sehnsucht stieg um sie herum auf, dort auf

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