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Das wandernde Feuer

Titel: Das wandernde Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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hinzugefügt, und so kam es, dass er befahl, die Kinder zu ermorden. Oh, wie war es möglich, darüber nicht zu weinen? All diese Kinder, damit nicht seine blutschänderische, verderbte Brut, die ihm geweissagt worden war, am Leben blieb, um seinen leuchtenden Traum zu zerstören. Kaum mehr als ein Kind war er selber gewesen, doch seinem Namen war ein Faden des Gewirks anvertraut und damit eine Welt, und als die kleinen Kinder starben … .
    Als die Kinder starben, hatte der Weber ihn zu einem Verderben bestimmt, das lange fortdauern sollte. Die ununterbrochene Abfolge von Krieg und Sühne unter zahllosen Namen, auf zahllosen Welten wurde ihm auferlegt als Wiedergutmachung, um der Kinder und der Liebe willen.
    Kim öffnete die Augen und sah die tiefstehende, dünne Mondsichel. Sie sah die Sterne des Frühlings hell über sich leuchten, und sie täuschte sich nicht, als sie glaubte, sie wären heller als zuvor.
    Dann drehte sie sich um und sah in diesem himmlischen Licht, dass sie an jenem hochgelegenen, verzauberten Ort nicht allein war.
    Er war nicht mehr jung. Wie hätte er jung bleiben können nach so vielen Kriegen? Sein Bart war dunkel, wenn auch von Silber durchzogen, und seine Augen hatten sich noch nicht auf die Zeit eingestellt. Sie glaubte, in ihnen Sterne zu sehen. Er stützte sich auf ein Schwert, die Hände um den Griff gelegt, als sei er das einzig Greifbare inmitten der endlosen Nacht, und dann sagte er mit einer Stimme, die so sanft und so müde war, dass sie bis in ihr Herz drang: »Hier, Edle Frau, bin ich Arthur gewesen, ist es nicht so?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    »Anderswo habe ich andere Namen getragen.«
    »Ich weiß.« Sie schluckte. »Doch dies ist dein wahrer Name, dein erster.«
    »Nicht der andere?«
    Oh, wer war sie denn schon? »Der nicht. Ich werde ihn nie verraten, ihn nie wieder aussprechen. Darauf gebe ich meinen Eid.«
    Langsam richtete er sich auf. »Das werden andere tun, wie es wieder andere bereits getan haben.«
    »Daran kann ich nichts ändern. Ich habe dich nur angerufen, weil wir in Not sind.«
    Er nickte. »Es ist Krieg hier?«
    »In Fionavar.«
    Und daraufhin wuchs er zu seiner vollen Größe, nicht so groß, wie sein Vater gewesen war, doch umgeben von Würde wie von einem Mantel, und er hob den Kopf in den aufkommenden Wind, als höre er ein fernes Kriegshorn.
    »Kommt es etwa nun zur letzten Schlacht?«
    »Wenn wir sie verlieren, wird es die letzte sein.«
    Bei diesen Worten glaubte sie zu sehen, wie er an Substanz zunahm, als hätte deren Billigung den Übergang von dort abgeschlossen, wo auch immer er zuvor gewesen sein mochte. In den Tiefen seiner Augen gab es keine Sterne mehr; sie waren braun und gütig und Teil dieser weiten, wohlbestellten Erde. »Dann ist es gut«, sagte Arthur.
    Und diese freundliche Bekräftigung war es, die Kimberly am Ende doch aus der Fassung brachte. Sie fiel auf die Knie und senkte den Kopf, um zu weinen.
    Gleich darauf fühlte sie sich mühelos emporgehoben und eingehüllt in eine Umarmung, so sanft und umfassend, dass sie sich auf jenem einsamen Hügel vorkam, als wäre sie nach langer Irrfahrt heimgekehrt. Sie legte den Kopf an seine breite Brust, spürte das kraftvolle Pochen seines Herzens und bezog daraus unendlich viel Trost, während sie zugleich um ihn trauerte.
    Nach einer Weile trat er zurück. Sie wischte sich die Tränen fort und sah, ohne davon überrascht zu sein, dass der Baelrath wieder zu glühen begonnen hatte. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie erschöpft sie war von der ungeheuren macht, die sich aus ihr Bahn brach. Sie schüttelte den Kopf; keine Zeit, keine Sekunde Zeit, schwach zu sein. Sie blickte ihn an und fragte: »Habe ich deine Vergebung?«
    »Derer hast du nie bedurft«, erwiderte Arthur. »Nicht einmal halb so sehr, wie ich der euren.«
    »Du warst noch jung.«
    »Sie waren noch klein«, ergänzte er ruhig. Und dann, nach kurzem Schweigen: »Sind sie noch da, die zwei?«
    Und der Schmerz in seiner Stimme offenbarte ihr zum allerersten Mal die wahre Natur des Fluches, mit dem er belegt worden war. Sie hätte es wissen müssen, es war die ganze Zeit deutlich zu erkennen gewesen. Um der Kinder und der Liebe willen.
    »Ich weiß es nicht«, entgegnete sie mit erstickter Stimme.
    »Sie sind immer da«, sagte er, »weil ich die Kleinen habe ermorden lassen.«
    Darauf wusste sie keine Antwort, und sie traute ihrer Stimme ohnehin nicht. Stattdessen nahm sie ihn bei der Hand, hielt mit letzter Kraft noch einmal

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