Das wandernde Feuer
den Ausläufern des Weidelandes von Brennin. Doch dieses Jahr war der Schnee zu früh gefallen, und mit allzu großer Heftigkeit, und hatte die Tiere im Norden überrascht. Und dann waren die Wölfe gekommen. Die Dalrei stießen Flüche aus, wandten ihre traurigen und zornigen Gesichter gen Norden. Doch ihre Flüche waren zu nichts nutze, noch hatten sie vermocht, das nächste Unglück aufzuhalten, als der Wind den tödlichen Schnee bis nach Brennin trieb. Was bedeutete, dass es nirgendwo auf der Ebene einen geschützten Aufenthaltsort für die Eltor gab.
So kam es, dass Dhira vom ersten Stamm zu einer Großen Versammlung nach Celidon gerufen hatte, an der alle neun Häuptlinge samt ihren Schamanen und Ratgebern teilnehmen sollten. Und der ehrwürdige Dhira war aufgestanden – jedermann kannte inzwischen die Geschichte – und hatte gefragt: »Warum lässt Cernan, Beschützer der Tiere, dieses Gemetzel zu?«
Und nur ein Mann in dieser Runde hatte sich erhoben, um ihm zu antworten.
»Weil«, hatte vor vom dritten Stamme gesagt, »er es nicht verhindern kann. Maugrim ist stärker als er, und ihn will ich jetzt beim Namen nennen und sagen Rakoth.«
Dabei war seine Stimme lauter geworden, um das Murren zu übertönen, das bei der Nennung des nie erwähnten Namens aufkam, und er sprach weiter: »Wir müssen ihn benennen und ihn als den erkennen, der er ist, denn er hat aufgehört, seine Gegenwart nur in unseren Alpträumen und Erinnerungen kundzutun. Er ist ein Teil der Wirklichkeit, er ist in diesem Augenblick hier, und wir müssen um unseres Volkes und unseres Landes willen gegen ihn zu Felde ziehen, wir und all unsere Verbündeten, sonst wird es keine kommenden Generationen mehr geben, die mit den Eltor über die weite Ebene reiten. Wir werden Starkadhs Sklaven sein, Spielzeuge der Svart Alfar. Jeder Mann in dieser Versammlung muss bei den Steinen Celidons schwören, bei diesem Herzstück unserer Ebene, dass er diesen sonnenlosen Tag nicht zu erleben gedenkt. Wir haben keinen Revor hier unter uns, aber wir sind die Söhne Revors und die Erben seines Stolzes wie des Geschenks, das uns die Ebene zu Eigen macht. Männer der Dalrei, werden wir uns dieses Geschenks und dieses Stolzes würdig erweisen?«
Und Navon fröstelte in der Dunkelheit, als ihm die Worte durch den Kopf gingen. Jedermann wusste von dem Jubel, der Ivors Ansprache gefolgt war, er war von Celidon aus weithin erklungen, als wolle er meilenweit durch das weißverschneite Land, durch Gwynir und Andarien nordwärts schallen, um selbst noch die Mauern Starkadhs zu erschüttern.
Und jedermann wusste, was dann erfolgt war, als der gütige weise Tulger vom achten Stamm seinerseits aufgestanden war und die schlichten Worte gesprochen hatte:
»Seit Revors Lebzeiten ist es nicht mehr vorgekommen, dass die neun Stämme einen gemeinsamen Fürsten, einen Vater hatten. Sollen wir uns nicht jetzt einen Aven erwählen?«
»Ja!« hatte die ganze Versammlung gerufen. (Jedermann wusste davon.)
»Wer soll das sein?«
Und auf diese Weise war Ivor dan Banor vom dritten Stamm der erste Aven der gesamten Ebene seit tausend Jahren geworden, und nun war es sein Name, der von der geheiligten Stätte ins Land hinaushallte.
Sie zeigten sich alle betroffen, dachte Navon, während er zum Schutz vor dem heulenden Wind seinen Mantel fester um sich zog. Sämtliche Angehörigen des dritten Stammes hatten Anteil an dem Ruhm wie an der Verantwortung, und Ivor hatte dafür gesorgt, dass sie bei der Verteilung der Aufgaben keine Sonderstellung einnahmen. Für Celidon bestand keine Gefahr, hatte er entschieden. Noch würden es die Wölfe nicht wagen, dort einzudringen und sich der unergründlichen uralten Macht aussetzen, welche den Kreis der aufrechten Steine oder das Haus schützte, das zwischen ihnen stand.
Zunächst mussten sie sich vorrangig um die Eltor kümmern. Die Tiere hatten sich nun endlich nach Süden durchgeschlagen ins Land am Lathamfluss, und dorthin würden die Stämme ihnen folgen, und die Jäger würden die versammelten Züge einkreisen – auch wenn diese Bezeichnung im Schnee zum Hohn wurde –, und die Lager würden ständig auf der Hut sein vor möglichen Angriffen.
Genau so war es auch geschehen. Zweimal hatten die Wölfe es gewagt, einen der beschützten Züge anzugreifen, und zweimal hatten die schnellen Auberei rechtzeitig die Nachricht ins nächstgelegene Lager gebracht, um die Räuber zu vertreiben.
In diesem Augenblick, dachte Navon, während er
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