Das wird mein Jahr
einen grünen Räumpanzer und dahinter einen Wasserwerfer und jede Menge Polizeibusse. Nicht die alten Ost-Kisten, sondern ausm Westen. Scheiße!
Innerhalb weniger Sekunden war ich in meinen Klamotten. Matti riss die Tür zu meinem Zimmer auf. »Friedemann! Die Bullen kommen! Die wolln uns räumen!« Ich hatte ihn noch nie so unter Strom erlebt. In seinen Händen trug er je einen Metalleimer mit Pflastersteinen. Die standen seit den Fascho-Überfällen immer in den Treppenhäusern. Ohne eine Reaktion von mir abzuwarten, eilte er zu meinem Fenster, riss es auf und fing an, Steine auf die Polizeifahrzeuge zu werfen. Ich öffnete das andere Fenster und schaute auf die Straße. Auch aus den Nachbarhäusern flogen Steine und Flaschen. Vom Wasserwerfer drangen unverständliche Kommandos. Aus einem Fenster schmiss jemandein Waschbecken auf den Räumpanzer. Es zersprang, als hätte man einen Schneeball geworfen. Der Wasserwerfer nahm jetzt unser Haus ins Visier und schoss einen Wasserstrahl direkt gegen mein Fenster. Im letzten Moment konnte ich es schließen, aber die Scheibe bekam einen riesen Sprung. Räumpanzer und Wasserwerfer fuhren langsam weiter, dahinter eine scheinbar endlos lange Schlange von grün-weißen Sixpacks. Die Steine prasselten auf die Dächer der Wannen wie Hagelkörner. Laut, immerhin Beulen hinterlassend, aber dennoch ohne Wirkung auf diese merkwürdige Fahrzeugparade, die sich im Schritt-Tempo durch unsere Straße schlängelte. Wollten die uns wirklich aus den Häusern schmeißen? Einfach so, ohne Ankündigung? Na ja, wahrscheinlich war das hier gerade ihre Ansage – und unsere Antwort. Der Räumpanzer war schon gut zwanzig Meter von unserem Haus weg, als mir plötzlich mein Bus einfiel. Scheiße!
Ich beugte mich aus dem Fenster nach rechts, um nach ihm zu schauen. »Mein Bus! Ihr Schweine! Finger weg von meinem Bus!« Ich schrie mir die Seele aus dem Leib, doch der Fahrer des Räumpanzers hörte mich nicht. Selbst wenn, er hätte sich wohl kaum darum gekümmert. Weil auf der Straße mehrere große Mülltonnen als Hindernis umgeworfen worden waren, schob er sie kurzentschlossen zusammen mit meinen Bus zur Seite, der schräg zur Fahrbahn geparkt war. Er kippte dabei um. In Zeitlupe. Ich sah, wie das Dach sich löste und die Schiebetüre herausbrach. Ich schrie und schrie aber niemand hörte mich.
Wie von Sinnen rannte ich aus meinem Zimmer. Matti rief mir irgendwas hinterher. Mit großen Sprüngen nahmich die Treppenabsätze. Die Holzstufen ächzten laut, und der Staub wirbelte in die Luft. Einige Leute kamen mir im Treppenhaus entgegen, doch ich schubste alle zur Seite. Unten war die Haustür mit schweren Balken verbarrikadiert. Ich riss sie weg. Hinter mir hörte ich wieder Matti. Er zerrte an meiner Jacke, doch ich war schon auf der Straße. Ich presste mich an die Hauswand, weil von oben ohne Unterbrechung Steine und anderes Zeug flogen. Ein Klobecken zerschellte vor mir auf dem Asphalt. Wenige Meter entfernt sah ich meinen Bus auf der Seite liegen.
»Bist du lebensmüde?«, schrieen Matti und Noel und zerrten mich zurück ins Haus. »Das ist doch nur ein Auto. Da draußen ist Krieg, Mann. Du hast ja nicht mal einen Helm auf.«
»Aber wie kommen wir jetzt nach Südfrankreich?«, rief ich keuchend.
»Das ist jetzt nicht das Problem, Friedemann.« Die Tür wurde wieder verschlossen und mit Balken abgestützt. Völlig außer Atem ließ ich mich auf den Boden sinken. Draußen hörte man den Pflastersteinhagel ohne Pause niedergehen. Langsam wurde das Donnern schwächer bis es ganz aufhörte.
»Sie ziehen ab! Die Bullen verpissen sich!«, schrie jemand von oben durchs Treppenhaus. »Wir müssen raus und Barrikaden bauen. Los!« Alles rannte an mir vorbei nach draußen. Auch Matti und Noel. Ich schaute durch die offene Haustür auf die Straße. Sie war übersät mit Pflastersteinen und anderen Wurfgeschossen. Nach einer Weile erhob ich mich und ging den anderen nach. Wozu sich beeilen? Konnte ich noch irgendetwas verhindern?
Um mich herum standen gut hundert schwarzgekleidete Vermummte. Weiter hinten sah man noch mehr davon. Aufgeregt wurde gesprochen. Eine größere Gruppe lief vor zur Einmündung auf die Frankfurter Allee und begann wahllos Autos auf die Mainzer zu schieben, Mülltonnen und Gerüststangen. Ich ging zu meinem Bus. Er war komplett zerbeult, die Scheiben waren kaputt. Benzin lief aus und bildete eine immer größer werdende Pfütze.
Noel kam zu mir. »Hast du wenigstens ’ne
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