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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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gegenüberliegenden Häuser frei, in denen offenbar ganz normale Familien wohnten.
    Matti erschien kurz im Türrahmen: »Hast du alles, was du brauchst?«
    »Ja, danke. Alles perfekt«, antwortete ich und rollte meinen Schlafsack aus.
    »Ach so, noch was: Manchmal haben wir hier nachts Fascho-Alarm. Die wollen meist Leute auf der Straße verprügeln oder mal ’nen Molli auf ein Haus schmeißen. Nicht wundern, wenn nebenan eine Sirene losgeht.«
    »Klingt gruselig. Und die Polizei?«
    »Die Bullen interessieren sich einen Scheiß für die Nazis. Das muss man hier alles selber regeln.«
    »Sagt Bescheid, wenn ich was tun kann.«
    »Na dann, gute Nacht, Friedemann! Ich weck dich, wenn es Frühstück gibt. So gegen Mittag.« Matti lachte.
    »Passt mir ausgezeichnet. Gute Nacht!« Ich schloss die Tür und kuschelte mich in meinen Schlafsack. Aus den Kopfhörern meines Walkmans sangen Talk Talk mich langsam in den Schlaf.
    Noel und Matti waren zum Kochen in der Gemeinschaftsküche eingeteilt, und ich sollte ihnen assistieren. Im ersten Stock hatte man mehrere Zwischenwände herausgerissen, und in dem so entstandenen Raum befand sich eine riesige Wohnküche. An manchen Stellen sah man noch die nackten Backsteine. Jede Wand hatte ein anderes Tapetenmuster, vermutlich von den letzten Vormietern. Ein langer Tisch stand mitten im Raum, und Stühle aus einer alten Ost-Schule gruppierten sich darum. Ein Endzwanziger mit Andis alter Billy-Idol-Frisur und schwarzer Bomberjacke saß dort und las in einer Zeitschrift, außerdem eine jungeFrau mit sehr kurzen Haaren und grauem Kapuzensweatshirt.
    »Hi Flo, Hallo Sandra«, grüßte Matti die beiden. »Das ist Friedemann, ein Kumpel aus … Tja, Friedemann, wie stellt man dich denn überhaupt vor? Bist du nun Leipziger oder Esslinger oder was?« Ich überlegte kurz und zuckte mit den Schultern. »Jedenfalls ist er gerade in Berlin«, ergänzte Noel. »Er wird erst mal eine Weile mit bei uns oben pennen.«
    »Kein Problem. Willkommen im Club.« Flo nickte kurz und vertiefte sich wieder in seine Lektüre. Sandra las in einer Tageszeitung und biss dabei von einem Butterbrot ab.
    An der Wand standen zwei alte Küchenschränke aus Großmutters Zeiten, in denen sich verschiedenfarbiges Geschirr stapelte. Geschirr stapelte sich auch in den beiden großen Abwaschbecken. Darüber hingen Demoplakate mit wütenden Fäusten, Hassmaskenträgern oder Wasserwerfern. Jemand hatte mit einer Spraydose in roter Farbe »Fuck The System« an eine Wand gesprüht.
    Ich machte mich über das schmutzige Geschirr her, während Noel einen Topf mit Wasser auf den Großküchengasherd stellte, um Nudeln zu kochen. Matti versuchte an einem alten Radio einen Sender reinzubekommen. »Sagt mal Jungs, wem gehört das Haus überhaupt?«, fragte ich, während ich eingetrocknete Soße von einem Teller schrubbte.
    Noel schnippelte Tomaten klein. »Jetzt gehört es jedenfalls uns«, antwortete er. »Und Miete müssen wir auch nicht zahlen – wie im Kommunismus.«
    Matti grinste mich an. »Da müsstest du dich doch auskennen.«
    »Aber macht da nicht irgendeine Behörde Stress?«
    Sandra schaute zu mir rüber: »Die wollen uns Verträge aufdrängen, zu völlig beschissenen Konditionen.« Sie hatte einen ziemlich lässigen Blick drauf, so als hielte sie mich für ein Greenhorn, einen völlig ahnungslosen Anfänger.
    »Aber nicht mit uns«, ergänzte Flo. »Die Bonzen wissen, wie so was enden kann. Ich sag nur Hafenstraße 1987. Da hat nicht nur die Luft gebrannt.«
    »Mensch Flo, verschone uns mit deinen alten West-Autonomen-Storys«, rief eine Stimme hinter mir. Die kannte ich doch. Martin stand plötzlich in der Tür. »Blume, ist das eine Überraschung«, fiel er mir um den Hals.
    »Schön, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Da fühlt man sich doch gleich wie zu Hause«, umarmte ich ihn kurz zurück, während von meinen Händen Geschirrspülschaum auf den Fußboden tropfte. »Dave hat mir letztens in Leipzig erzählt, dass du nach Berlin gezogen bist, wegen diesen Nazi-Kiddies.«
    »Ach, fang nicht damit an. Mit Leipzig bin ich echt fertig. Und du?«
    »Na ja, mal sehen. Ich komme gerade aus Süddeutschland und brauchte dringend ’nen Tapetenwechsel.«
    »Tapetenwechsel?«, rief Flo hinter seiner Zeitung, »Da bist du bei uns richtig. Die Küche muss nämlich endlich gemalert werden. Wir konnten uns auf dem Hausplenum nur noch nicht auf die Farbe einigen. Vielleicht klappt es ja das nächste Mal.«
    »Was macht denn

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