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Das zerbrochene Siegel - Roman

Das zerbrochene Siegel - Roman

Titel: Das zerbrochene Siegel - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Eder
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Heilerin ja nicht fremd sein.
    Sie warf ihm einen schnellen Blick zu. »Wer ist dieser Mann?«
    Bandolf zuckte mit den Schultern. »Wenn ich das wüsste, wäre mir wohler. Wieso fragst du?«
    »Ich habe ihn schon einmal gesehen«, sagte Garsende so leise, dass er sie kaum verstand.
    »Was sagst du da? Du kennst den Mann?«
    Garsende schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nur einmal gesehen. Gestern. Auf dem Marktplatz.«
    Argwöhnisch beugte Bandolf sich vor. »Und weiter?«
    Mit gerunzelter Stirn ließ die Heilerin den Blick über die Wände der Scheune gleiten und schien sie einer Musterung zu unterziehen. Bandolf wippte ungeduldig auf den Füßen.
    Endlich sagte sie: »Er war in einen Streit verwickelt. Ein Mann packte ihn am Kragen und schrie, er sei ein schamloser Lügner und Dieb, und er würde ihm die Wahrheit schon aus dem Hals pressen. Mehr konnte ich nicht verstehen, dazu war ich nicht nah genug. Aber seine Worte schienen den Mann hier zu erschrecken.«
    Sie verstummte.
    »Herrgott, Weib«, rief Bandolf ungehalten. »Und was geschah weiter?«
    Garsende holte tief Luft, bevor sie Antwort gab: »Lothar von Kalborn mischte sich ein, und während er den Angreifer zu beschwichtigen suchte, machte er«, sie wies auf den Toten, »sich davon.«
    »Lothar von Kalborn?« Bandolf überlegte, doch der Name sagte ihm nichts.

    »Er ist ein Gefolgsmann des Grafen von Braunschweig. Vor geraumer Zeit benötigte er meine Dienste, daher erkannte ich ihn«, sagte sie so schnell, dass Bandolf sie überrascht anschaute. Errötend wich sie seinem Blick aus und schien ihre Hände zu betrachten. Einen Augenblick lang stutzte Bandolf, aber sie sagte nichts weiter, und er war ungeduldig, mehr über den Streit zu erfahren.
    »Und der Angreifer?«
    Endlich wandte sie ihm wieder ihr Gesicht zu. »Ich weiß es nicht. Er war klein gewachsen und hatte eine dunkle Hautfarbe, ähnlich den Händlern aus Tuskien, Kalabrien oder Rom, die man zuweilen auf dem Markt sieht.«
    »Hmm. - Und Lothar von Kalborn? Weißt du, wo er sich aufhält? Ist er noch in der Stadt?«
    »Woher soll ich das wissen? Und jetzt lasst mich in Ruhe tun, worum Ihr mich gebeten habt.«
    Der Burggraf zog sich ein paar Schritte zurück, um der Heilerin Platz zu machen, und während sich Garsende über den Leichnam des jungen Mannes beugte, um behutsam die Fibel von seinem Umhang zu lösen, richtete Bandolf seinen Blick angelegentlich auf die Spitzen seiner Stiefel.
    Er musste herausfinden, wer dieser Mann war, überlegte er. Am besten fragte er in der Bischofspfalz oder im Domstift nach. Ein Mann von Stand, der Worms besuchte, würde zwangsläufig früher oder später dort vorstellig werden. Und sei es nur, um des Segens der kostbaren Reliquien, die im Dom gehütet wurden, teilhaftig zu werden. Falls er nicht durch puren Zufall in Bandolfs Haus gekommen war, musste er ein sehr dringliches Anliegen gehabt haben, sonst wäre er nicht mitten in der Nacht gekommen.
    Eine Weile grübelte Bandolf darüber nach, welcher Art ein solches Anliegen sein könnte, dann unterbrach Garsende seine Gedanken.
    »Süßer Jesus.«

    Die Heilerin hatte den Umhang des Toten beiseitegeschoben, seinen Gürtel gelöst und das Hemd hochgezogen.
    »Was hast du entdeckt?«
    Garsende hob die Lampe und deutete auf den Leib des Toten etwa in Höhe des Bauchnabels. »Seht Ihr? Hier auf der rechten Seite ist eine Wunde.«
    Bandolf kniff die Augen zusammen und sah eine kleine, rotgeränderte Verletzung, schmal und nicht größer als der Nagel von Garsendes kleinem Finger.
    »Hmm, ein Stich«, brummte er. »Aber er scheint mir viel zu klein, um daran zu sterben.«
    »Groß genug, meine ich, wenn er tief in seinen Leib reicht und auch die Eingeweide betroffen hat«, antwortete Garsende. »Und das tut er, glaubt mir das.«
    Bandolf warf ihr einen argwöhnischen Blick zu, versagte sich aber zu fragen, wie sie das festgestellt hatte.
    Sie schien sein Misstrauen zu spüren. Mit ärgerlich zusammengezogenen Brauen strich sie das Hemd glatt, zeigte ihm das kleine Loch, das mit der Wunde übereinstimmte, und auf die dunklen Flecken, die das helle Leinen über Halsborte und Brust aufwies.
    »Das Blut wird schwarzgallig, wenn die Eingeweide verletzt sind«, erklärte die Heilerin, während sie begann, die Gewänder des Toten wieder in Ordnung zu bringen. »Der arme Mann hat schwarzgalliges Blut ausgespuckt. Das könnt Ihr an seinem Hemd und Umhang sehen, und an seinem Mund noch riechen.«
    Darauf wollte Bandolf lieber

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