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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Katastrophe auch seine Tochter das Leben eingebüßt hätte. Das konnte für ihn nur ausgeglichen werden durch seine Freude, wenn er vernahm, daß Jenny aus dem Schiffbruche des »Dorcas« gerettet worden war.
    Inzwischen wurde die Pinasse zurecht gemacht, um nach der Rettungsbucht heimzukehren. Herr und Frau Zermatt wollten dem Lieutenant Littlestone in ihrem Heim Unterkunft bieten, dieser aber wollte sie wieder wenigstens bis zum Ende des Tages bei sich behalten. Da sie darauf eingingen, die Nacht über hier in der kleinen Bucht zu bleiben, wurden am Fuße der Felsen noch drei Zelte aufgeschlagen, eines für die vier Söhne, das zweite für Herrn und Frau Zermatt und das dritte für Jenny Montrose.
    Nun konnte die Geschichte der Familie Zermatt seit deren erstem Betreten der Neuen Schweiz eingehend erzählt werden. Es war ja erklärlich, daß der Commandant und seine Officiere daraufhin den Wunsch äußerten, die Anlagen der kleinen Colonie und die bequemen Wohneinrichtungen von Felsenheim und Falkenhorst kennen zu lernen.
    Nach einer vortrefflichen Mahlzeit, die an Bord der »Licorne« bereitet worden war, verabschiedeten sich Zermatt und seine Gattin, deren vier Söhne und Jenny vom Lieutenant Littlestone und begaben sich in ihre Zelte am Lande zur Ruhe.
    Als sie allein waren, unterhielt sich der ältere Zermatt noch eine Zeit lang mit seiner Gattin.
    »Meine liebe Betsie, begann er, da wäre uns nun Gelegenheit geboten, nach Europa heimzukehren und unsere Landsleute, unsere Freunde wiederzusehen. Wir müssen aber bedenken, daß unsere Lage sich jetzt wesentlich verändert hat. Die Neue Schweiz ist keine unbekannte Insel mehr; andere Schiffe werden bald genug hier eintreffen…
    – Was willst Du mit dem allen sagen? fragte Frau Zermatt.
    – Nun, wir werden uns entscheiden müssen, ob wir diese Gelegenheit benützen wollen…
    – Darüber, lieber Mann, antwortete Betsie, hab’ ich schon seit einigen Tagen nachgedacht und bin zu folgendem Ergebnisse gekommen: Warum sollten wir von hier weggehen, wo wir uns so glücklich gefühlt haben? Warum sollten wir versuchen, Verbindungen wieder anzuknüpfen, die die Zeit und unser Fernsein ja völlig zerrissen haben? Wir sind doch allmählich in die Jahre gekommen, wo man sich nach Ruhe und Frieden sehnt und kaum noch Lust hat, weite Reisen zu wagen.
    – Ah, mein Herz, rief Zermatt, Betsie umarmend, Du hast in meinem Innern gelesen. Wahrlich, es wäre eine Undankbarkeit gegen die Vorsehung, unsere Neue Schweiz zu verlassen! Es handelt sich hierbei freilich nicht um uns allein… unsere Kinder…
    – Unsere Kinder? fiel Betsie ein. O, ich begreife recht wohl, daß sie das Verlangen haben, in ihr Vaterland zurückzukehren, sie sind ja jung, ihnen winkt noch eine Zukunft… und wenn auch ihr Fortgehen uns schwer genug ankommen wird, dürfen wir sie doch wohl nicht zurückhalten.
    – Du hast recht, Betsie; hierin stimme ich mit Dir ganz überein.
    – Unsere Söhne mögen sich getrost an Bord der »Licorne« einschiffen. Wenn sie fortgehen, werden sie ja auch einmal wiederkommen.
    – Wir dürfen indeß auch Jenny nicht vergessen, fuhr Zermatt fort, jetzt, wo wir wissen, daß ihr Vater seit zwei Jahren nach England zurückgekehrt ist, daß er sie seit zwei Jahren beweint! Es ist doch nur natürlich, daß sie zu ihrem Vater heimzukehren wünscht.
    – Es wird uns freilich sehr schmerzlich berühren, sie von hier scheiden zu sehen, wo sie so gut wie unsere Tochter geworden ist, antwortete Betsie; Fritz empfindet für sie eine tiefe Zuneigung, die von ihr offenbar erwidert wird. Immerhin haben wir Jenny ihren freien Willen zu lassen!«
    Die beiden Gatten plauderten über diese Angelegenheit noch eine Zeit lang weiter. Sie waren sich völlig klar über die Folgen, die die unerwartete Veränderung ihrer Lage mit sich führen konnte, und erst in später Nachtstunde fanden sie infolge ihrer Gemüthserregung eine Stunde unruhigen Schlummers.
    Am folgenden Tage setzte die Pinasse, nachdem sie durch die Bai und um das Cap im Osten gesegelt war, den Lieutenant Littlestone, zwei seiner Officiere, die Familie Zermatt und die Familie Wolston an der Mündung des Schakalbaches ans Land.
    Der Engländer beinächtigte sich dasselbe Gefühl der Bewunderung und des Erstaunens, wie vor Jahren Jenny Montrose’s, als sie zum erstenmale nach Felsenheim kam. Der ältere Zermatt empfing seine Gäste in der Winterwohnung und wollte sie später nach dem »Schloß« Falkenhorst, nach dem Landhause

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