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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Vorgebirge.
    Die Nacht war schon angebrochen, als Lieutenant Littlestone sich mit seinen Officieren noch berieth, ob es rathsam sei, die große Schaluppe zur Besichtigung der östlichen Küste auszusenden. Die Sachlage verlangte doch Aufklärung. Die Leute, die heute Morgen die Kanonenschüsse abgegeben hatten, waren doch sicherlich keine Wilden. Dagegen konnte man wohl annehmen, daß ein im Westen der Insel in Seenoth befindliches Schiff Hilfe verlange.
    Daraufhin wurde denn beschlossen, am nächsten Tag eine Auskundschaftung in jener Richtung vorzunehmen, und die Schaluppe sollte um neun Uhr Morgens eben niedergelassen werden, als Lieutenant Littlestone dieses Manöver unterbrach.
    Dicht vor dem Cap erschien jetzt – nicht ein Kajak oder eine Pirogue, wie sie die Eingeborenen benutzen, sondern – ein leichtes Fahrzeug von neuerer Bauart, eine Pinasse von etwa fünfzehn Tonnen. Sobald sie in die Nähe der »Licorne« gekommen war, hißte sie eine roth und weiße Flagge.
    Wie erstaunten da der Lieutenant, seine Officiere und die Mannschaft der Corvette, als sie von der Pinasse ein Boot abstoßen sahen, das am Achter als Friedenszeichen eine weiße Flagge führte und auf die Corvette zusteuerte.
    Zwei Männer kamen daraus an Bord der »Licorne« und stellten sich hier vor.
    Es waren Schweizer, Johann Zermatt und sein ältester Sohn Fritz, Schiffbrüchige von dem Segler »Landlord«, von dem man seit reichlich zehn Jahren nichts gehört hatte.
    Die Engländer geizten nicht mit herzlichen Begrüßungen des Vaters und des Sohnes. Auf ihre an den Lieutenant Littlestone gerichtete Einladung, mit an Bord der Pinasse zu kommen, ging dieser freudig ein.
    Es kann wohl nicht auffallen, daß der ältere Zermatt einen gewissen Stolz darein setzte, dem Befehlshaber der »Licorne« erst seine blühend gesunde Lebensgefährtin und dann seine anderen drei Söhne vorzustellen. Jedermann mußte den entschlossenen Ausdruck ihres intelligenten Gesichtes and ihre strotzende Gesundheit bewundern. Es war in der That ein Vergnügen, diese prächtige Familie zu sehen. Darauf wurde auch Jenny dem Lieutenant Littlestone vorgestellt.
    »Welches Land ist das aber, das Sie seit mehr als zehn Jahren bewohnen, Herr Zermatt? fragte dieser.
    – Wir haben es die Neue Schweiz genannt, antwortete Zermatt, ein Name, der ihm hoffentlich bleiben wird.
    – Ist es eine Insel, Herr Commandant? fragte Fritz.
    – Ja, eine Insel im Indischen Ocean, die die Karten noch nicht enthalten.
    – Wir wußten bis jetzt noch nicht, daß es eine Insel sei, denn aus Besorgniß vor einer gefährlichen Begegnung haben wir diesen Theil der Küste niemals verlassen.
    – Daran haben Sie recht gethan, denn wir haben wirklich Eingeborene bemerkt, erwiderte der Lieutenant Littlestone.
    – Eingeborene? rief Fritz, der sein Erstaunen nicht verhehlte.
    – Gewiß, versicherte der Commandant. Gestern… in einer Art Pirogue, oder richtiger, in einem Kajak.
    – Diese Eingeborenen waren niemand anders als mein Bruder und ich, fiel Jack lachend ein. Wir hatten uns Gesicht und Arme geschwärzt, um für Wilde gehalten zu werden.
    – Wozu aber diese Verkleidung?
    – Weil wir nicht wußten, mit wem wir es zu thun haben könnten, Herr Commandant! Ihr Schiff konnte ja auch ein Seeräuberschiff sein.
    – Oho! rief der Lieutenant Littlestone. Ein Schiff Seiner Majestät des Königs Georg des Dritten!…
    – Ja, ja, ich bekenne unseren Irrthum, lenkte Fritz ein. Es erschien uns aber dennoch rathsamer, erst noch nach unserer Wohnstätte Felsenheim zurückzukehren, um dann alle zusammen wiederzukommen.
    – Ich füge hinzu, fuhr der ältere Zermatt fort, daß wir uns das gleich für den nächsten Morgen vorgenommen hatten. Fritz und Jack hatten bemerkt, daß Ihr Schiff in Reparatur war, und wir nahmen daher an, daß wir es in der kleinen Bucht hier antreffen würden.«
    Wie glücklich fühlte sich aber Jenny, als der Lieutenant Littlestone ihr sagte, daß ihm der Name des Obersten Montrose nicht unbekannt sei. Vor der Abfahrt der »Licorne« nach dem Indischen Meere hatten die Zeitungen überdies das Eintreffen des Obersten in Portsmouth und darauf in London gemeldet.
    Seit jener Zeit aber, und nachdem sich die Nachricht verbreitet hatte, daß die Passagiere und die Mannschaft des »Dorcas«, mit Ausnahme des in Sydney gelandeten zweiten Officiers und dreier Matrosen, umgekommen wären, wurde der unglückliche Vater eine Beute der Verzweiflung, da er annehmen mußte, daß bei jener

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