Das zweite Vaterland
unsere Lage nur nicht durch die Anwesenheit der drei Frauen und des Kindes erschwert wäre, sagte öfters Harry Gould. Ja, wenn wir hier nur Männer wären…
– Wir haben deshalb nur die Verpflichtung, noch mehr zu thun, als wir sonst gethan hätten,« antwortete Fritz.
In der Voraussicht des Winters erhob sich noch eine recht ernste Frage, die nämlich, ob es bei strengerer Kälte, wenn Tag und Nacht ein Feuer unterhalten werden müßte, nicht schließlich an Brennmaterial fehlen würde.
Das war vielleicht nicht zu fürchten, wenn sie sich mit dem Tang begnügten, der bei jeder Fluth ausgeworfen und von der Sonne schnell getrocknet wurde. Da die Verbrennung dieser Seepflanzen aber einen beißenden Rauch erzeugte, konnte man sie nicht wohl zur Erwärmung der Grotte anwenden, worin die Luft sonst bald unathembar geworden wäre. Daneben machte es sich noch nöthig, deren Eingang mit den Segeln der Schaluppe, und zwar recht dicht und fest zu verschließen, um einen sicheren Schutz gegen die Windstöße zu haben, die im Winter gegen den Fuß des Steilufers anstürmten.
Endlich mußte die Grotte doch erleuchtet werden, wenn das Wetter alle Arbeiten im Freien verbot.
Der Obersteuermann und Franz gingen deshalb, von Jenny und Doll unterstützt, daran, einen großen Vorrath grober Kerzen aus dem Speck und Fett der Seehunde herzustellen, die an der östlichen Ausbuchtung in Menge vorkamen und deren Fang keine besonderen Schwierigkeiten bereitete.
Ganz entsprechend dem in Felsenheim geübten Verfahren schmelzte John Block dieses Fett ein und erhielt dadurch ein Oel, das beim Erkalten erstarrte.
Suzans Verzweiflung machte sich in schweren Seufzern Luft. (S. 357.)
Da er keine Baumwolle, wie man sie in der Neuen Schweiz erntete, zur Verfügung hatte, mußte er sich mit den Fasern von Seegras begnügen, die immerhin brauchbare Dochte lieferten.
Außerdem kam endlich die Kleidung in Frage, womit alle nur dürftig versehen waren, und wie hätte diese, wenn sich der Aufenthalt hier verlängerte, ersetzt werden sollen?
»Ich bleibe dabei, sagte eines Tages der Obersteuermann, wenn man durch einen Schiffbruch auf eine wüste Insel geworfen wird, ist es klug und weise, ein Schiff oder ein Wrack zur Hand zu haben, worauf sich alles Nothwendige vorfindet. Anderenfalls ist das ein miserables Ding!«
Die Bewohner der Neuen Schweiz hatten sich freilich aus dem »Landlord« mit allem reichlich versorgen können.
Am Nachmittage des 17. erregte ein Vorfall, dessen Folgen niemand hätte voraussehen können, allgemein eine sehr lebhafte Unruhe.
Bob spielte bekanntlich gerne mit dem Albatros. Wenn er sich so auf dem Strande belustigte, behielt ihn seine Mutter stets im Auge, damit er sich nicht zu weit entfernte, denn er kletterte gerne einmal an den untersten Blöcken des Vorberges hinauf oder lief den heranrollenden Wellen entgegen. Blieb er dagegen mit dem Vogel in der Grotte zurück, so war keine Unannehmlichkeit zu fürchten.
Es mochte gegen drei Uhr sein. James Wolston half dem Obersteuermanne die Spieren zum Tragen des Vorhanges zuzurichten, der vor dem Eingange angebracht werden sollte. In dem Winkel nahe dem Kochofen saßen Jenny, Suzan und Doll mit dem Ausbessern ihrer Kleider beschäftigt.
Jetzt war die Zeit, wo Bob sein Vesperbrod zu verzehren pflegte.
Frau Wolston ging nach der Grotte zu und rief nach dem Kinde.
Bob antwortete nicht.
Suzan begab sich nach dem Strande und rief noch lauter, bekam aber wiederum keine Antwort.
Da erhob auch der Obersteuermann seine Stimme:
»Bob!… Bob!… Es ist Zeit zum essen!«
Das Kind zeigte sich nicht, man sah es auch nirgends auf dem Strande.
»Der Junge war hier… ganz in unserer Nähe… und vor kaum einer Minute! versicherte James.
– Wo zum Kuckuck mag er denn stecken?« fragte sich John Block, der sich schon dem Vorberge zuwendete.
Der Kapitän Gould, Fritz und Franz gingen eben am Fuße der Felswand hin.
Bei ihnen war Bob auch nicht.
Der Obersteuermann legte die Hände zum Sprachrohr zusammen und rief wiederholt: »Bob!… Bob!«
Das Kind blieb unsichtbar.
James lief nach dem Kapitän und seinen zwei Brüdern.
»Habt Ihr denn Bob nicht gesehen? fragte er sehr beunruhigt.
– Nein, antwortete Franz.
– Vor einer halben Stunde, erklärte Fritz, sah ich ihn noch mit dem Albatros spielen.«
Nun zerstreuten sich alle nach allen Seiten und riefen nach dem Kleinen.
Vergebens.
Fritz und James eilten nach dem Vorberge, bestiegen die ersten Felsblöcke
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