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Das zweite Vaterland

Das zweite Vaterland

Titel: Das zweite Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Insel nach Europa oder vor oder nach ihrem Auslaufen von Capetown geschehen?
    Die Angehörigen und Freunde der hier Verlassenen waren wirklich mehr zu beklagen, als diese selbst. Sie wußten jene wenigstens in der Neuen Schweiz in Sicherheit.
    Die Zukunft bot ein recht trübes Bild angesichts einer Lage, deren Ausgang niemand vorhersehen konnte.
    Und welch neue Besorgniß wäre noch zu so vielen anderen gekommen, wenn alle gewußt hätten, was Harry Gould und dem Steuermann allein bekannt war: daß die Zahl der Schildkröten sich infolge des täglichen Verbrauches merkbar verminderte.
    »Vielleicht, äußerte hierzu John Block, kommt das daher, daß die Thiere Kenntniß von einem unterirdischen Gange haben, durch den sie die Buchten im Osten oder Westen erreichen können, ohne daß es uns möglich wäre, ihnen zu folgen.
    – Jedenfalls, Block, antwortete Harry Gould, sprechen Sie davon gegen niemand!
    – Darüber beruhigen Sie sich, Herr Kapitän. Wenn ich es Ihnen gesagt habe, geschah es nur, weil man Ihnen doch alles mittheilen kann…
    – Und auch mittheilen muß, Block!«
    Von jetzt ab mußte der Obersteuermann noch mehr als bisher dem Fischfange obliegen, denn das Meer lieferte ja stets, was die Erde zu versagen anfing. Durch eine ausschließliche Ernährung mit Fischen, Weich-und Schalthieren drohte freilich die Gesundheit allmählich Schaden zu erleiden, und wenn erst Krankheiten ausbrachen, dann war der Becher des Unglücks ja übervoll.
    Die letzte Woche des Decembers kam heran. Das Wetter blieb immer schön, nur traten einige Gewitter ein, die aber nicht so schwer waren, wie das erste. Die zuweilen außerordentliche Hitze wäre manchmal kaum zu ertragen gewesen ohne den Schatten, den das Steilufer über den Strand hin warf. Das bot doch einigen Schutz gegen die Gluthstrahlen der Sonne, die ihren Tagesbogen am nördlichen Himmel beschrieb.
    Zu dieser Zeit erschienen hier auch sehr viele Vögel, und zwar nicht nur Seeschwalben, Trauerenten, Möven und Fregattvögel, die gewohnten Gäste des Strandes, sondern gelegentlich auch ganze Völker von Kranichen und Reihern. Das erinnerte Fritz an seine schönen Jagden auf dem Schwanensee oder in der Umgebung der Meiereien des Gelobten Landes. Auf dem Gipfel des Hügels zeigten sich auch Cormorans, wie der Jennys, der jetzt im Geflügelhof von Felsenheim umherstolzirte, und zuweilen Albatrosse, gleich dem, den sie zu ihrem Boten vom Rauchenden Felsen gemacht hatte.
    Alle diese Vögel hielten sich aber in sicherer Entfernung. Wenn sie sich auch auf dem Vorberge niederließen, versuchte man doch vergeblich, ihnen näher zu kommen, denn sie flatterten dann sofort über die unersteigbare Höhe davon.
    Eines Tages wurden der Kapitän Gould und alle übrigen durch einen Ruf des Obersteuermanns nach dem Strande gelockt.
    »Da seht doch… seht doch! wiederholte John Block, indem er nach dem Rande des oberen Plateaus hinwies.
    – Was giebt es denn? fragte Fritz.
    – Sehen Sie denn gar nicht die Reihe schwarzer Punkte da oben? erwiderte John Block.
    – Das sind Pinguine, erklärte Franz.
    – Ja, ganz richtig, Pinguine, bestätigte Harry Gould, und wenn sie uns nicht größer als Krähen erscheinen, liegt das an der großen Höhe, in der sie sitzen.
    – Und da diese Vögel, bemerkte Fritz, haben nach dem Plateau gelangen können, so muß der Abhang an der anderen Seite des Steilufers leichter zugänglich sein.«
    Das war wohl anzunehmen, denn die sehr unbeholfenen und schweren Pinguine hätten mit ihren kurzen Flügelstümpfen nicht bis zu jenem Kamme hinausfliegen können. War dessen Ersteigung auch von Süden her unmöglich, so schien sie doch von Norden her ausführbar zu sein. Bei dem Mangel eines Bootes aber, mit dem man hätte längs der Küste hinfahren können, mußte man darauf verzichten, den Gipfel des Steilufers zu erreichen.
    Traurig, gar traurig gestaltete sich das Weihnachtsfest dieses Unglücksjahres. Wie niederdrückend war der Gedanke, welch fröhliche Christmas im großen Saale von Felsenheim inmitten der beiden Familien und in Gesellschaft des Kapitäns Gould und John Block’s gefeiert worden wäre! Es schien wirklich, als ob die Qual des Verlassenseins sich damit verdoppelte, und so beschränkte sich die Feier auf innige Gebete, worin sich freilich kaum noch eine schwache Hoffnung ausdrückte.
    Und dennoch mußte man wohl dem Schöpfer danken, daß trotz so schwerer Prüfungen die Gesundheit dieser kleinen Welt noch nicht gelitten hatte. Dem

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