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Dauerhaftes Morgenrot

Dauerhaftes Morgenrot

Titel: Dauerhaftes Morgenrot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Zoderer
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ihr Gesicht in den Winkel zwischen seinem Hals und seiner Schulter und grub sich hinein, und wenn er sich befreien konnte, biß er in ihren Mundwinkel und drückte die Ränder seiner Lippen in schneller Aufeinanderfolge gegen ihre Nasenflügel, gegen ihre Schläfen, auf ihre Augenbrauen. Später sprangen sie um die Benzinzapfsäule am Rande des Platanenparkes, Gianna drängte ihn an die Spieße des Eisenzauns und drückte ihn über einige der schwarzlackierten Spitzen, so daß er den Mund aufsperrte, und erst da küßte auch sie ihn mit offenen Lippen, und sie zuckte nicht zurück, als er sich an den nassen Haaren ihrer Perücke festhielt. Die Platanen leuchteten, wo sie von der Straßenbeleuchtung angestrahlt wurden, der Park schloß ihn nicht aus, steig auf meine Hände und spring hinüber, sagte er zu Gianna. Sie tippte mit einem Zeigefinger auf seine Stirn, aber sie lachte und rieb mit dem Mund über seine Stirn, und trotz des jäh herunterprasselnden Regens schlüpfte sie aus ihrem Pelz, legte den Mantel über die Zaunspitzen und stellte eine Stiefelspitze in seine ineinander verflochtenen Hände und hüpfte hinüber in den Park auf den Kies. Am Ententeich und an den Köpfen der Dichter und Patrioten vorbei gelangten sie auf den gewundenen Kiesweg zum Platz vor dem Musikpavillon. Lukas setzte sich auf einen der nassen Stühle, die noch immer in einem Halbbogen aufgereiht waren, während Gianna Schleifen zog vor der Bretterbude mit dem Muscheldach, die Nässe begann zu gefrieren, er sah, wie Giannas Schuhe nicht mehr den Kies furchten, eher darüberschlitterten, und auch seine Fingerballen glitten über Eisgelatine, die das Holz des Stuhles überzogen hatte. Mit einem Ruck schwang sich Gianna auf die Kante des Musikpodiums, die Stöckel ihrer schmalen Stiefel schlugen im Takt gegen die Holzverkleidung, während er die Kiesfläche vor dem Pavillon überquerte und auch das Knirschen seiner Schritte hörte; hinter den Bäumen verschwammen die Häuserblöcke in einer schattigen Ungefährlichkeit, Lukas verbarg sein Gesicht in Giannas Pelzschoß, seine Nase rieb an einem Knopf ihres Mantels, mit den Pelzsäumen bedeckte er seine Ohren, er spürte den kalten Wind nur mehr im Nacken, Giannas Finger zupften an seinem Haar, plötzlich trommelten ihre Hände mit den weichen Kanten auf seinen Kopf, die Wärme ihres Körpers drang in ihn ein, sie nahm seine Schläfen in beide Hände und zog sein Gesicht zu sich herauf, ihr Mund traf ihn an einem Nasenflügel oder oberhalb eines Mundwinkels: Gehn wir zu mir nach Hause, sagte sie, und bevor sie sich aufrichtete, ließ sie sich zurücksinken und preßte seine Augen in die Fellglätte ihres Mantels.
    Diesmal war das Stiegenhaus eine große Nachtzisterne, ohne irgendeinen Schrei, und Gianna, die ihm voraus die Treppen aufwärts stieg, wandte sich nie um.
    Hinter der schwarzen Tür erkannte er den Kleiderständer, an dem sein Hut gehangen hatte, Gianna stülpte ihren Pelz über den Haken und öffnete die Küchentür, und an ihrem Haar vorbei sah er Margarita und den Dicklippigen am Tisch sitzen. Margarita hielt einen Revolver in der Hand, sie lächelte Lukas zu, mit ihren dünnen eingefallenen Lippen lächelte sie und legte die Waffe auf den Tisch, sie muß, dachte Lukas, die Zähne herausgenommen haben, unter dem Tisch sah er zwischen den Stuhlbeinen einen umgekippten Stöckelschuh, die Perücke jedoch war kaum verrutscht. Zum erstenmal hatte er den Fotosammler in vollem Licht vor sich, den Dicklippigen, dem er ein Almosen hingeworfen hatte, er wußte weder seinen Vor- noch seinen Nachnamen: mit einem weggestreckten Bein saß er da, in einem blauen Doppelreiher, mit buntschillernder Las Vegas-Krawatte, den Knoten über dem offenen Hemd gelockert, nie zuvor, dachte Lukas, hat mich der gelbe Teint eines Gesichtes so eingenommen, diese schlechtrasierten Wangen und die wulstige Unterlippe, die nichts als gespielte Neugier ausdrücken. Gianna lehnte im Türrahmen und sagte zwei- oder dreimal Ciao. Plötzlich hob der Mann den Revolver und streckte ihn Lukas verkehrt herum entgegen: Seien Sie großzügig. Lukas hätte gern auf diese Hand geschlagen, die ihm den Revolver anbot, aber die Alte nickte ihm zu, zeigte den zahnlosen Mund und lachte ihn aufmunternd an, sie schien sich ihrer Sache so gewiß, daß sie den Revolver

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