Deadline - Rache, wem Rache gebuehrt
heran.«
»Aber dich kann ich loswerden, und das ist mir die Sache wert.« Sie ruckte noch einmal kräftig an Cissys Hand. »Du weißt ja gar nicht, wie glücklich du dich schätzen konntest. Und dein Kleiner wird es auch nicht wissen.«
Aufgeladen mit Wut über die Ungerechtigkeit, wollte Cissy sie nicht gewinnen lassen. Sie konnte es nicht.
Doch Diedre war stark und zu allem entschlossen.
Mit einem gewaltsamen Ruck vollführte Diedre mit Cissy zusammen eine Drehung, so dass Cissy blutend über dem schmiedeeisernen Geländer hing. Sie spürte, wie die jahrhundertealten Verankerungen sich lockerten. Sie wurde immer schwächer, und Diedre war stärker als sie. Mit siegestrunkenem Blick drängte Diedre Cissy so weit über das Geländer, dass Cissy glaubte, sie würde ihr das Rückgrat brechen. Die Wunde in ihrer Seite schmerzte heftig, und sie hielt sich an allem fest, was sie zu greifen bekam, am Geländer, an Diedres Haar, an ihrem Nacken.
»Stirb, du verwöhntes kleines Biest«, fauchte Diedre. Cissy spürte, dass ihr Körper sie im Stich ließ, ihre Kräfte sich erschöpften. Sechs Meter unter ihr wartete der harte Fußboden. Mit äußerster Anstrengung umklammerte sie das Geländer und hielt sich fest, wohl wissend, dass sie, wenn Diedre sie noch heftiger bedrängte, sich überschlagen und stürzen würde, um mit zerschmetterten Gliedern unten liegen zu bleiben. Wie ihre Großmutter.
Schmerz schoss durch ihren Rücken; Cissy rechnete fest damit, dass ihre Wirbelsäule brach.
Ihre Muskeln wurden überdehnt, Bänder rissen, Sehnen wurden gezerrt, und die ganze Zeit über weinte ihr Kind. O Gott, bitte hilf mir, bitte … Jack … ich liebe dich … Beejay … heißgeliebtes Kind … Der Raum drehte sich um sie, ihre Gedanken verschwammen. Sie ruderte wild mit einem Arm, während sie sich mit dem anderen mit aller verbleibenden Kraft festhielt.
Ihre Schulter schmerzte erbarmungslos unter dem Druck, Dunkelheit drohte ihr Bewusstsein zu überfluten. Gib nicht auf. Gib jetzt auf gar keinen Fall auf!
Doch sie konnte nicht denken, konnte nicht mehr kämpfen. Eine gnädige Bewusstlosigkeit bahnte sich an. Sie hörte nur noch das Weinen ihres verängstigten Kindes und das Hämmern ihres eigenen Herzens.
Es ist vorbei, dachte sie. Das Geländer bewegte sich unter ihr, und der höllische Schmerz in ihrem Rücken zwang sie loszulassen. Als ihr Griff sich bereits lockerte und sie bereit war aufzugeben, sah sie etwas Großes, Dunkles hinter Diedre aufragen. Sein Gesicht war zu einer Fratze des Hasses verzerrt und blutverschmiert.
In diesem letzten Moment bei Bewusstsein sah Cissy, wie Jack die Pistole abfeuerte. Ein Ruck ging durch Diedres Körper. Sie schrie, stürzte hart gegen Cissy, rang mit ihr, und beide wurden in Richtung Treppe katapultiert.
Cissy versuchte zu schreien, aber es war zu spät. Durch Diedres Gewicht wurde sie herabgerissen. Sie rollten die Treppe hinunter, schrien, Diedres Körper schlug gegen das Geländer, Cissys folgte.
Cissy versuchte, Jacks Namen zu rufen, doch tiefe Dunkelheit nahm sie auf.
Bayside Hospital
San Francisco, Kalifornien
Zimmer 316
Freitag, 13. Februar
JETZTZEIT
Was soll das? Ein Priester? Der Gebete murmelt, für meine Seele bittet? O nein … Bitte, Vater, hören Sie mich an … Ich bin nicht tot, ich glaube nicht einmal, dass ich sterben muss … Da sind weitere Stimmen, die flüstern … Ich kenne diese Stimmen, und sie verabschieden sich … Wer sind sie? Menschen, denen ich etwas bedeute? Menschen, die mich lieben? Sie denken, dass ich sterbe. O nein, nein, nein … Sie kommen ins Zimmer und schluchzen, sie weinen und fassen mich an, wer immer sie sein mögen. Vertraute Stimmen beten für meine Seele.
Dann folgt Stille, bis auf die Geräusche der Apparate, die meine Reaktionen aufzeichnen … diese verdammten Apparate, die mein angstvolles Herzklopfen nicht registrieren, dieses Beatmungsgeräts, das mein entsetztes Ringen um Luft nicht verzeichnet … Ich höre jemanden durchs Zimmer gehen, dann ein mehrmaliges Klicken … O Gott, sie schalten einen Apparat ab. Das Beatmungsgerät? Nein … O nein … Ich spüre ein Gewicht … es fällt mir schwer zu atmen … Unmöglich, o bitte, tut mir das nicht an … Hört auf! … Helft mir! Bitte! Herr im Himmel, hilf du mir! Ich kann nichts mehr hören, nichts mehr riechen. Um Gottes willen, ich kann nicht atmen … Ich kann … nicht …
Epilog
San Francisco
14. Mai
Cissy schlug die Augen auf und wehrte sich gegen
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