Der wasserdichte Willibald
Willi Gluck Gluck
Willibald Glück, genannt Willi, ging in die zweite Klasse und konnte schon ganz schön viel.
Er war nicht sehr groß. Aber er konnte mit seinem Fahrrad so toll bremsen, dass die Mädchen aus seiner Klasse schreiend davonliefen.
Er hatte ziemlich dünne Beine. Aber wenn er seine Schienbeinschützer anzog, war er ein gefürchteter Torjäger der Fußballjugend.
Er war nicht besonders stark. Eigentlichhatte er fast gar keine Muskeln. Aber im Kinderchor konnte er so laut singen wie kein Zweiter.
Im Winter war er der schnellste Plastiktütenrutscher am Schlittenberg. An Ostern war er der pfiffigste Ostereiersucher der
Familie. Im Sommer war er ein gefürchteter Nacktschneckenjäger. Er konnte die Schnecken einfach anfassen, mit bloßer Hand.
Und im Herbst war er der lauteste Laterne-Laterne-Sänger. Aber das wissen wir ja schon.
Willi hatte einen größeren Bruder in der vierten Klasse. Der hieß Tobias und wurde Tobi genannt. Und er hatte eine große Schwester
in der sechsten, die hieß Theresa. Aber sie wollte, dass man sie Tesi nennt.
»Gut. Tobi und Tesi, das klingt ganz schön«, sagten die Eltern.
»Ich find, das klingt wie Teesieb«, sagte Tobi.
»Sehr witzig! Typisch, Tobias Kotzbrocken!«, sagte Tesi.
Und Willi, der mit seinen Gedanken ganz woanders war, sagte: »Eigentlich hab ich ziemlich Glück, dass ich schon so viel kann.
Fast alles eigentlich.«
»Was redest du für’n Quatsch!«, sagte Tobi. »Fast nichts kannst du!«
»Stimmt gar nicht!«, sagte Willi.
»Ich sage bloß: schwimmen!«, sagte Tobi.
Da rannte Willi schnell raus. Denn davon wollte er nichts hören. Es gab da nämlich wirklich ein kleines Problem. Willi traute
sich viel, aber er traute sich nicht ins Wasser. Willi war ein begeisterter Nichtschwimmer. Genau genommen war er sogar ein
begeisterter Nicht-ins-Wasser-Geher.
Er wusch sich, das schon. Er duschte auch manchmal. Aber in der Badewanne liegen, das war ihm schon zu viel.
Er fütterte gern Enten und andere Wasservögel. Er liebte Teiche und Tümpel, solange Enten drauf schwammen, die man füttern
konnte. Aber er wäre nie auf den Gedanken gekommen, selber in so ein Wasser hineinzuspringen.
Und zum Schwimmen gehen, ins Schwimmbad, das wollte er schon gar nicht.
Einmal hatte ihn sein Opa mit ins Schwimmbad genommen. Da war er nicht ins Wasser gegangen. Das Wasser stank und war kalt
und brannte offensichtlich in den Augen. Denn der Opa hatte zum Schwimmen eine verrückte Brille aufgesetzt.
Aber eines Tages sagte die Turnlehrerin: Ȇbermorgen, am Mittwoch, bringt ihr alle euer Badezeug mit. Wir gehen ins Hallenbad
zum Schwimmen.«
Am Mittwochmorgen hatte Willi Bauchwehund konnte nicht in die Schule gehen. Aber mittags war es wieder gut.
Am nächsten Tag sagte die Lehrerin: »Schade, dass du krank warst, Willi. Es war sehr schön im Hallenbad. Aber nächsten Mittwoch
gehen wir wieder schwimmen.«
Am nächsten Mittwoch hatte Willi wieder Bauchweh.
»Hast du jetzt immer mittwochs Bauchweh?«, fragte Mama.
»Da stimmt doch was nicht«, sagte Papa. »Ist Mittwoch irgendwas Besonderes?«
»Nein«, sagte Willi. »Ich hab bloß Bauchweh.«
»Ha!«, rief da Tobi. »Ich weiß es. Die gehen wahrscheinlich ins Hallenbad am Mittwoch.«
»Ach, du lieber Himmel!«, seufzte Mama. »Ist das wahr?«
»Ja«, sagte Willi. Und dann stöhnte er, weiler wirklich Bauchweh hatte. »Mir ist sogar schlecht, glaub ich«, sagte er.
Und Papa sagte: »So geht das aber nicht!«
»Wasserscheuer Schisser!«, sagte Tobi.
»Lass ihn, Tobi!«, sagte Mama. »Mach du dich fertig. Sonst kommst du noch zu spät.«
»Ich könnte aber genauso gut Bauchweh haben«, maulte Tobi.
»Mach keine dummen Witze!«, sagte Mama.
Und Papa sagte noch einmal: »So geht das aber nicht.«
Sie riefen in der Schule an. Willi durfte heute noch mal zu Hause bleiben. Aber nur, weil er versprach am Samstag mit Papa
zusammen ins Hallenbad zu gehen.
»Das wollen wir doch mal sehen«, sagte Papa und kaufte eine Eintrittskarte für drei Stunden.
»So lang?«, fragte Willi.
»Das ist nicht lang«, sagte Papa. »Wir wollen uns doch alles noch mal genau anschauen.«
Zuerst suchten sie sich eine Umkleidekabine. Dann hängten sie ihre Sachen in einen Schrank. Willi bekam seinen eigenen Schrank
mit einem eigenen Schlüssel. Papa machte den Schlüssel mit einem Band an Willis Fußgelenk fest. Das war eigentlich ganz lustig,
fand Willi. Und über eine halbe Stunde war auch schon
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